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Wahlkampf um Verkehrspolitik in HamburgDie SPD entdeckt ihr Herz für Autofahrer

Die Hamburger SPD setzt im Wahlkampf plötzlich wieder auf das Auto. Will sie damit der CDU den Wind aus den Segeln nehmen oder meint sie das ernst?

Immer mehr Autos beanspruchen Platz: Parken in Hamburg Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | Gleich einen ganzen „Masterplan“ also. Den verspricht die Hamburger SPD in der Verkehrspolitik aufzulegen, wenn sie die Bürgerschaftswahl am 2. März erst gewonnen hat. Geht dank der SPD dann also die Verkehrswende in richtig, richtig großen Schritten voran? Werden mit dem Masterplan die Radwege in allen Stadtteilen im ganz großen Maßstab ausgebaut und S- und U-Bahnen endlich auch in die noch immer abgehängten Stadtteile geführt?

Mit dem „Masterplan Parken“ hat die SPD das Gegenteil vor: In der anhaltenden Debatte um eine Neuverteilung des öffentlichen Verkehrsraums setzt sie sich für Au­to­fah­re­r*in­nen ein, die um den Wegfall von Parkplätzen fürchten. Mit einem Moratorium soll der Wegfall nämlich gestoppt werden und da, wo nötig, wolle man Quartiersgaragen bauen, um Abhilfe zu schaffen. Kommt mit der Hamburger SPD also bald der Rollback in der Verkehrswende?

Einen Rollback würde es Ole Thorben Buschhüter nicht nennen wollen. „Wir setzen uns mit unterschiedlichen Lebensrealitäten in der Stadt auseinander“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion.

Schließlich gebe es Stadtteile mit zu hohem Parkdruck; außerdem hatte die Stadt vor einigen Jahren die Stellplatzpflicht aufgehoben, nach der beim Bau von Wohnhäusern auch eine bestimmte Zahl an Parkplätzen auf den Grundstücken geschaffen werden muss. Das müsse gegebenenfalls wieder in Teilen rückgängig gemacht werden.

Umweltverbände warnen vor Rollback

Auch auf der Bezirksebene hat die SPD wieder ihr Herz fürs Auto entdeckt: Im größten Bezirk Wandsbek will die SPD zusammen mit der FDP – und den Grünen – „notwendige Korrekturen in der Verkehrspolitik zugunsten des Autos“ vornehmen, wie der SPD-Kreisvorsitzende und Finanzsenator An­dreas Dressel jüngst erklärte. Auch im Bezirk Nord soll unter SPD-Führung die „Leistungsfähigkeit der Hauptverkehrsstraßen“ gesichert werden; auch hier will man dafür sorgen, dass keine Parkplätze mehr wegfallen.

Ein breites Bündnis – vom Fahrradverband ADFC über den Nabu und Greenpeace bis zum Fachverband Fußverkehr – forderte deshalb zuletzt ein Bekenntnis zur Mobilitätswende. Aus der Sicht Buschhüters ist das gar nicht nötig. „Wir wollen ja unverändert den Anteil des Autoverkehrs auf 20 Prozent senken“, beteuert er. Die Weichen dafür seien in der vergangenen Legislatur mit den Grünen gestellt worden – sowohl mit der Verwirklichung mehrerer S- und U-Bahn-Projekte wie auch beim Radwegeausbau. „Das ist ein großer Fortschritt“, sagt Buschhüter.

Der Druck auf die SPD kommt aber vor allem von anderer Seite: Tagein, tagaus poltert CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering gegen die „autofeindliche Politik von SPD und Grünen“, die Hamburg zur Stauhauptstadt mache. Darunter leide nicht zuletzt die Wirtschaft. Und von unkoordinierten Baustellen seien alle in der Stadt doch nur noch genervt.

Dass Thering hier eine Angriffsfläche und ein Potenzial sieht, verärgerte SPD-Wähler:innen zur CDU zu locken, entspricht der Stimmung in der Stadt über alle Bezirke hinweg: In einer Umfrage im Auftrag des Hamburger Abendblatt erachteten 80 Prozent der Befragten den Verkehr als größtes Problem in Hamburg.

Hamburg vor der Wahl

Am 2. März wird die Hamburgische Bürgerschaft neu gewählt. Wir berichten in loser Folge über die Ideen der Parteien zu verschiedenen Politikfeldern

Blinkt die SPD demnach nur, dem Wahlkampf geschuldet, Richtung Autolobby, um hier keine offene Flanke zu haben? Dafür, dass die SPD direkt von einem „Masterplan“ beim Parken spricht, wären die Folgen wohl überschaubar. Und ohnehin dürften nach der Wahl die Grünen mit Anjes Tjarks weiter den Verkehrssenator stellen.

„Wir und die Grünen wollen ja dasselbe, nur manchmal auf unterschiedlichen Wegen“, sagt Buschhüter. Und auch Bürgermeister Tschen­tscher (SPD) wiederholte mehrfach, an der Verkehrswende festhalten zu wollen– nur vielleicht langsamer als es auch angesichts der selbst gesteckten Klimaziele nötig wäre.

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13 Kommentare

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  • Um mal ein bißchen frischen Wind in das seltsam eindimensionale Mindset der Autofreunde zu bringen, die ja irgendwie glauben der Radverkehr wäre der Grund für mehr Staus:







    ..lt dem Navianbieter Tom Tom liegt die durchschnitlliche Geschwindigkeit des Autoverkehrs in HH bei 22km/h...in Amsterdam dagegen bei 31 km/h.







    Also einfach mal öfter Fahrrad fahren..das beschleunigt nicht nur den Verkehr insgesamt..das fördert auch die Durchblutung des Gehirns..

  • "Werden mit dem Masterplan die Radwege in allen Stadtteilen im ganz großen Maßstab ausgebaut und S- und U-Bahnen endlich auch in die noch immer abgehängten Stadtteile geführt?"

    Wer sich ein wenig mit Hamburgs Verkehrsplanung beschäftigt, weiß, dass das U-Bahn Netz im großen Stil ausgebaut wird. Es dauert halt nur seine Zeit, bis auch der letzte Stadtteil seinen eigenen Bahnhof hat :D

  • Warum wird DieLinke gar nicht erwähnt? Deren Abeordnete Heike Sudmann unternimmt ja doch einiges, um den Autoverkehr sinnvoll zu reduzieren. Auch wegen Nummer mit dem Klima

  • Endlich zieht mal der Verstand ein !

    Die Verkehrswende der Vergangenheit wurde immer auf dem Rücken des kleinen Mannes umgesetzt !

    Auf dem Rücken jener tausender Arbeitnehmer die zig Kilometer Arbeitsweg haben und Dank des ausgeklügelten und gut funktionierenden ÖPNVs nur mit dem Auto zur Arbeit kommen.

    Sei es weil sie auf dem Land wohnen um Miete zu sparen, sei es weil sie in der Stadt wohnen um die Schulwege der Kinder kurz zu halten.

    E-Protzkarren mit über 500 PS wurden fett gefördert. Am Liebsten hätten die Grünen eigene Fahrspuren dafür.

    Aber leisten kann sich der kleine Mann all das nicht.

    • @Bolzkopf:

      Der wirklich kleine Mann ist gerne auch eine Frau. Hat jedenfalls eher kein Auto oder nur eins im Haushalt und das ist auch kleiner.



      Freut sich auf lebenswertes Leben auch nahe bei der Arbeit, ausgebaute Radrouten und ÖPNV, dass man keine teuren Autos braucht.



      Rewekassiererinnen oder Krankenpflegehelfer autopendeln keine knapp 100 km, das tun eher die Vertriebsingenieure mit hohen Grenzsteuersätzen, so meinen es Analysen.

    • @Bolzkopf:

      Sie wären dabei, wenn gar kein Auto mehr gefördert würde? Topp?



      Umweltschäden einpreisen, öffentlichen Raum, Lärm, Feinstaub, CO2, teure kommunale Straßen mehrspurig, Zersiedlungs-/Pendlerfreibeträge für v.a. die weit pendelnden Reicheren, ..., keine Kaufprämien o.ä., so etwas.



      Ja, die ÖPNV-Achsen müssen weitergehen als Norderstedt, Reinbek oder Wedel, aber wenn v.a. Autoeinzelfahrtenfluten sich hinein ergießen, geht Hamburg unter.

  • Wer den Einzelhandel in den Innenstädten nicht vollends vor die Wand fahren will, tut gut daran, auch Kunden aus dem Umland einzubinden. Somit ist der Vorstoß gut. Zudem sollte man versuchen, durch Kennzeichen an den Fahrrädern das Rowdytum einzudämmen, unter dem alle Verkehrsteilnehmer, besonders ältere Mitbürger zu leiden haben. Nur wenn die Fahrradfahrer lernen Rücksicht zu nehmen und sich nicht als Herren der Welt zu fühlen, kann ein Miteinander im öffentlichen Raum gelingen.

  • Die Ironie ist, dass gerade erst die Meldung kam, dass Stau in der Stadt abnimmt:



    www.mopo.de/hambur...-mobilitaetswende/

    Das bedeutet die SPD begeht den gleichen Fehler wie beim Thema Migration: sie fällt auf ein Scheinproblem rein für das die CDU / AfD dann die angebliche Lösung parat hat. Unklug.

    • @JFlorian:

      Auch in Berlin hatte Rot/Grün weiterhin die Mehrheit. Wenn das diese Fehlpolitik der SPD begründet hätte.



      Für die Stadt und ihre Menschen denken, klug handeln - das heißt für die Großstadt Hamburg ÖPNV, Rad und Fuß zuerst.

  • Wer an "Leistungsfähigkeit" denkt, vergleicht besser mal den Platzverbrauch eines fahrenden oder parkenden Autos mit einem Fahrrad oder einem U-Bahnpassagier.



    Hamburg ist zu lebenswert, um es künstlich mit Retro-Autos zuzumüllen.

  • "Wahlkampf" vs. "ernstgemeint". Öfter mal was Neues....

  • Ist in Hannover auch so. Die Fahrradsymbole einer schmalen Fahrradstraße wurden zum Beispiel geteert. Das Ergebnis: In der viel zu schmale Straße fahren nun rücksichtslose Autofahrer. Das nennt sich, glaube ich, Populismus!

    • @Bird:

      Hier in Osnabrück kenne ich das eher umgekehrt: rücksichtslose Fahrradfahrer drangsalieren Autofahrer und Fußgänger. Verkehrsregelungen sind für Fahrradfahrer wohl nur ein Ansporn, sich genau entgegengesetzt zu verhalten...