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Wahlkampf in der TürkeiMit Baklava und Peitsche

Präsident Erdoğan schlägt einen früheren Wahltermin vor. An seinem Machterhalt arbeitet er mit Geschenken und rechtlicher Unterdrückung.

Erdogan möchte Präsident der Türkei bleiben – nun wird es ernst im Wahlkampf Foto: Leonhard Foeger/reuters

Istanbul taz | Nach langem Zögern hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Donnerstag als Termin für die kommenden Präsidenten- und Parlamentswahlen den 14. Mai vorgeschlagen. Der reguläre Wahltermin wäre der 18. Juni gewesen, aber viele politische Beobachter im Land waren bereits davon ausgegangen, dass der Termin wohl vorgezogen wird. Der Wahltermin ist damit noch nicht offiziell, man kann aber davon ausgehen, dass der Wahlrat dem Vorschlag Erdoğans folgen wird.

Erdoğan hatte wegen des Wahltermins lange taktiert. Angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise und einer enormen Inflation ist seine Popularität auf einem Tiefpunkt.

Um dem entgegenzuwirken, hat seine Regierung in den letzten Tagen eine Reihe von Maßnahmen und Geschenken an die WählerInnen verabschiedet, die in den kommenden Wochen zum Tragen kommen werden: Der Mindestlohn soll nahezu verdoppelt werden, die Renten erhöht, und – was besonders kostspielig sein wird – das Renteneintrittsalter effektiv gesenkt werden. Statt wie bislang erst mit 64 Jahren in Rente gehen zu können, soll künftig jeder, der eine gewisse Anzahl Jahre gearbeitet hat, unabhängig von seinem Alter in Rente gehen können. Dieses Verfahren hat in der Türkei eine lange Tradition, war aber aufgrund der Belastung für die Rentenkasse abgeschafft worden. Außerdem hat Erdoğan zwei neue Sozialwohnungsprogramme auflegen lassen.

Anscheinend hoffen die Strategen der regierenden Partei AKP und die Berater des Präsidenten, dass bis zum vorgezogenen Wahltermin die Wirkung der Wohltaten bei möglichst vielen WählerInnen angekommen ist, aber noch nicht durch die Inflation wieder zunichte gemacht wurde.

Die Opposition muss nun einen Kandidaten ernennen

Mit der Bekanntgabe des Wahltermins kommt die Opposition nun in Zugzwang, ihrerseits einen Präsidentschaftskandidaten zu nominieren. Die Opposition, die sich zu einem Sechsparteienbündnis zusammengeschlossen hat, hatte seit Langem angekündigt, sie würde ihren gemeinsamen Kandidaten bekanntgeben, wenn der Wahltermin feststeht.

Das ist aber leichter gesagt als getan. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Parteienbündnis in der Kandidatenfrage uneinig ist. Kemal Kılıçdaroğlu, Vorsitzender der größten Oppositionspartei, der sozialdemokratisch-kemalistischen CHP, hat sich seit Wochen in Position gebracht und würde gerne für die Opposition antreten. Er hat aber schon mehrere Wahlen gegen Erdoğan verloren und ist deshalb nicht die erste Wahl.

Die Vorsitzende der zweitgrößten Partei im Bündnis, Meral Akşener, macht deutlich, dass sie den Oberbürgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, als Kandidaten vorziehen würde. Auch Erdoğan und seine Partei sehen in İmamoğlu den gefährlicheren Kandidaten.

Deshalb versuchen sie, İmamoğlu mithilfe einer gesteuerten Justiz aus dem Rennen zu nehmen. Mitte Dezember wurde İmamoğlu wegen Beleidigung in erster Instanz zu über zwei Jahren Haft verurteilt. Sollte das Urteil im Berufungsverfahren bestehen, wird ihm jede politische Tätigkeit verboten. Quasi zur Sicherheit hat die Staatsanwaltschaft im Januar noch ein weiteres Verfahren gegen ihn eingeleitet, wegen angeblicher Korruption in seiner Zeit als Bezirksbürgermeister. Zusätzlich hat das Innenministerium noch den Vorwurf erhoben, in seiner Amtszeit seien in der Istanbuler Kommune Leute mit Verbindungen zu „Terrororganisationen“ angestellt worden. Innenminister Süleyman Soylu droht deshalb bereits damit, İmamoğlu aus dem Amt entfernen zu lassen.

Ein weiteres Thema im Wahlkampf: Syrische Geflüchtete

In der Opposition wird nun diskutiert, ob es nicht gerade wegen der politischen Verfolgung sinnvoll sei, İmamoğlu zu nominieren, oder ob das Risiko einer Inhaftierung zu groß sei.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat außerdem ein Treffen mit seinen syrischen und türkischen Kollegen angekündigt. Schon länger versucht Erdoğan – auch aufgrund oppositionellen Drucks –, die rund 3.6 Millionen in der Türkei lebenden syrischen Geflüchteten in ihre Heimat zurückzuführen. Das Treffen könnte seinem Wahlkampf daher zugute kommen.

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