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Wahlkampf in den USAClintons Vorsprung schmilzt

Neue Vorwürfe machen den US-Wahlkampf nochmal spannend. Clinton soll Debattenfragen vorab bekommen haben.

Erst geflüstert, dann gefeuert: Clinton-Vertraute und CNN-Moderatorin Donna Brazile Foto: ap

Berlin taz | Eine Woche vor den US-Präsidentschaftswahlen am kommenden Dienstag sinkt der Vorsprung der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton immer weiter. Im nationalen Umfragedurchschnitt, der auf der Website realclearpolitics.com publiziert wird, liegt Clinton gerade noch 2,2 Prozentpunkte vor dem republikanischen Kandidaten Donald Trump – mit Tendenz nach unten.

Die erregte Diskussion über Donald Trumps Sexismus wurde seit vergangenem Freitag wieder abgelöst von der Debatte über Clintons E-Mail-Nutzung während ihrer Zeit als Außenministerin. Und seit Montag sind dazu noch weitere von Wikileaks veröffentlichte E-Mails hinzugekommen, aus denen hervorgeht, dass Clinton tatsächlich bei mindestens zwei Vorwahldebatten mit ihrem innerparteilichen Konkurrenten Bernie Sanders einen Teil der Fragen vorher zugesteckt bekam. Das hatte Trumps Wahlkampfteam seit Wochen behauptet – dank Wikileaks ist es nun amtlich, dass die damalige CNN-Kommentatorin und Clinton-Vertraute Donna Brazile ihr die Fragen zukommen ließ. Brazile wurde umgehend von CNN rausgeworfen.

Das FBI, dessen Direktor James Comey am vergangenen Freitag gegenüber dem Kongress die Aufnahme neuer Ermittlungen zu Clintons E-Mail-Server angekündigt hatte, kann inzwischen damit beginnen, die neu aufgetauchten E-Mails auf mögliche Verschlusssachen durchzusehen. Ob das noch vor dem Wahltag abgeschlossen sein wird, ist fraglich. Kein Wunder also, dass sich die Clinton-Kampagne voll darauf konzentriert, Comeys Interesse und die Rechtmäßigkeit seines Handels so kurz vor der Wahl anzuprangern.

Auch andere Demokraten sehen darin einen Verstoß gegen geltendes Recht: Senator Harry Reid, der derzeitige Chef der Demokraten im Senat, beschuldigte Comey, gegen den Hatch Act von 1939 verstoßen zu haben, der es Staatsbediensteten verbietet, ins Wahlgeschehen einzugreifen.

Trump könnte helfen – der bleibt aber ruhig

Auf die Öffentlichkeit wirkt das allerdings wie ein verzweifelter Versuch der Clinton-Unterstützer, erneut ungeschoren davonzukommen. Schon vergleichen etliche Zeitungskommentatoren die Angriffe auf Comey mit denen auf Kenneth Starr, den Sonderermittler, der seinerzeit wegen der Whitewater-Affäre gegen die Clintons ermittelt hatte, woraus dann letztlich ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton wegen der Lewinsky-Affäre wurde. Das sei eine „große rechte Verschwörung“, ließ Hillary Clinton 1998 die Presse wissen.

Um möglichst schnell aus den Schlagzeilen zu kommen, bräuchte Clinton die Hilfe Donald Trumps. Aber der hält sich – für seine Verhältnisse – gerade zurück.

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11 Kommentare

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  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Offen zutage getretene Unaufrichtigkeit der Bewerberin schadet ihr natürlich. Ob sie nun unsere Wunschkandidatin ist oder nicht, tut nichts zur Sache. Demokraten halten das aus.

    • @571 (Profil gelöscht):

      "Demokraten halten das aus."

       

      Die Wähler auch?

  • "Und seit Montag sind dazu noch weitere von Wikileaks veröffentlichte E-Mails hinzugekommen, aus denen hervorgeht, dass Clinton tatsächlich bei mindestens zwei Vorwahldebatten mit ihrem innerparteilichen Konkurrenten Bernie Sanders einen Teil der Fragen vorher zugesteckt bekam. "

     

    Es war eine Frage, bei einer Debatte, und fairerweise sollte die TAZ den Kontext erläutern. Es war bei der Debatte der demokratischen Partei in Flint, wo das beherrschende Thema seit Jahren der riesige Skandal der Wasserverseuchung war und ist. Und die - verratene- Frage lautete dann überraschend: "Was werden Sie gegen das verseuchte Wasser in Flint unternehmen?"

    • @Dorian Müller:

      Die Frage mit dem Blei ist nur ein Beispiel. Und in der Mail wird sogar noch beschrieben, wer die stellt. Es wäre also eigentlich noch zu prüfen, ob Fragesteller gezielt platziert wurden.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Glauben Sie denn wirklich, irgendein Fernsehsender würde so eine Live-Sendung mit Publikum OHNE Generalprobe machen? So vollkommen spontan, mit "mal gucken, wer da so kommt und was für Fragen so gestellt werden, lassen wir uns mal komplett überraschen..."

         

        Wie naiv kann man eigentlich sein?

         

        Der entscheidende Unterschied zwischen Sanders und Clinton in der Bewertung des mit Blei belasteten Trinkwassers in Flint lag doch wohl darin, dass Sanders den Rücktritt des Gouverneurs forderte, während Clinton diesen aufforderte, Hilfe des Bundes aus Washington anzufordern.

         

        Für Sanders konzentrierte sich lediglich darauf, einen "Sündenbock" ausfindig zu machen und an den Pranger zu stellen. Die Verwaltung des Bundesstaates hätte er im Erfolgsfall erstmal lahmgelegt, es hätte zuunächst ein Nachfolger gewählt werden müssen. Den akut betroffenen Familien wäre dadurch nicht geholfen, aber der "politische Großwildjäger" Sanders hätte eine hübsche Trophäe mehr in seinem Jagdzimmer und ein paar Schlagzeilen in der Presse.

         

        Clintons Rat, den der Gouverneur dann auch befolgte, entliess diesen, selbst wenn ihn eine Mitschuld an der Krise durch vorherige Pflichtverletzungen bei der Aufsicht träfe, nicht aus seiner Verantwortung, er bekam zudem die Gelegenheit, Schadensbegrenzung zu betreiben. Wichtiger aber, den betroffenen Menschen vor Ort wurde schnell und nachhaltig geholfen.

         

        Trumps Politik-Stil des "Anwalts der kleinen Leute", der aber eher sich und seine "denen-da-oben-zeig-ichs-mal-so-richtig"-Attitüde in den Mittelpunkt stellt, als sich um tatsächliche Lösungen zu bemühen, hat große Ähnlichkeit mit Sanders Reaktion auf das Grundwasserproblem von Flint.

         

        Möglich, dass Trump deswegen unter den Sanders-Anhängern soviele Befürworter findet, die umso zahlreicher werden, je weiter sie vom potentiellen Wirkungskreis dieses Kandidaten entfernt, je weniger unmittelbar betroffen sie selbst sind.

  • Die Aufnahme von Ermittlungen auf begründeten Verdacht hin ist kein Eingriff in den Wahlkampf.

     

    Dazu muss man sich nur mal Überlegen, was das bei dem Verdacht auf andere strafrechtlich relevante Taten bedeuten würde. Zum Beispiel bei Kapitalverbrechen.

    • @insLot:

      Nicht die Aufnahme von Ermittlungen, aber die Öffentlichmachung der Aufnahme von Ermittlungen, wenn sie kurz vor dem Wahltermin gemacht wird und klar ist, dass bis zu diesem Termin kein abschliessendes Ergebnis geliefert werden kann.

       

      Das ist schlicht Manipulation.

  • "Senator Harry Reid, der derzeitige Chef der Demokraten im Senat, beschuldigte Comey, gegen den Hatch Act von 1939 verstoßen zu haben, der es Staatsbediensteten verbietet, ins Wahlgeschehen einzugreifen."

     

    Ein verschweigen der Mails wäre aber doch auch ein Eingriff in den Wahlkampf gewesen. Und was ist mit dem Versuch der Justizministerin die Sache unter den Teppich zu kehren? Die Lynch-Justiz ist ja auch nicht unbedingt neutral.

     

    Ist doch logisch. Egal was die Beteiligten tun, sie greifen immer irgendwie in den Wahlkampf ein.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Das "Auftauchen neuer Mails" besagt im Grunde gar nichts, solange nicht klar ist, worum es in diesen Mails geht.

       

      Wenn also der Chef des FBI mit Zetteln wedelt, von denen alle sofort GLAUBEN, sie KÖNNTEN Clinton belasten, der Chef des FBI selbst aber nachlegen muss, dass er gar nicht weiss, was auf diesen Zetteln steht, und das jetzt "erstmal analysiert" werden müsse, dann kann man sehr wohl von einem Eingriff in den Wahlkampf sprechen, denn die "Analyse" wird erst nach dem Wahltermin beendet sein.

       

      Ein Paradebeispiel für die gezielte Manipulation der öffentlichen Meinung kurz vor einer richtungsweisenden Entscheidung.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Auch andere Demokraten sehen darin einen Verstoß gegen geltendes Recht: Senator Harry Reid, der derzeitige Chef der Demokraten im Senat, beschuldigte Comey, gegen den Hatch Act von 1939 verstoßen zu haben, der es Staatsbediensteten verbietet, ins Wahlgeschehen einzugreifen."

     

    Sieht Obama aber anders: http://nypost.com/2016/10/31/obama-backs-comey-amid-criticism-of-email-probe/

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Inzwischen hat auch Obama seine Meinung über seinen ehemaligen Schützling geändert.

      http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/wahlkampf-usa-barack-obama-fbi-james-comey

       

      Offenbar bestehen die "Anschuldigungen" des FBI-Chefs bei Lichte besehen, aus nicht mehr als ein paar halbgaren, substanzarmen Mutmaßungen.

       

      Obama selbst hatte 2013 großen Einfluss auf die Beförderung des Republikaners Comey zum Chef des FBI genommen.