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Wahlkampf in SachsenSächsische AfD will an die Macht

Vor dem am Freitag beginnenden Landesparteitag geben sich die Rechtspopulisten geschlossen. Sie hoffen auf den ersten Platz bei der Wahl im September.

Seinem Hass auf Journalisten machte Tino Chrupalla (AfD) in einem Mitgliederbrief Luft Foto: dpa

Dresden taz | 84 Kandidaten bewerben sich für die Landesliste der AfD zu den Wahlen am 1. September, darunter 13 Frauen. Die Rechtspartei hat sich zum Ziel gesetzt, mit mehr als 30 Prozent der Stimmen stärkste Partei in Sachsen zu werden. Die ambitionierte Zahl ihrer Kandidaten aber würde auch für eine absolute Mehrheit im nominell 120 Abgeordnete umfassenden Landtag in Dresden ausreichen. Gewählt werden sie ab Freitag in Markneukirchen. Wegen des umständlichen Wahlverfahrens, über das der Parteitag erst beschließen muss, sind wie schon beim Europawahl-Parteitag der Bundes-AfD in Riesa drei Tage für den Parteitag angesetzt.

Der ursprünglich für Ende Januar geplante Parteitag wurde kurzfristig um zwei Wochen verschoben, nachdem der Parteiaustritt des früheren AfD-Vorsitzenden von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, auch einige Nachahmer in Sachsen fand. Etwa 20 ehemalige Mitglieder sollen sich Poggenburgs Abspaltung „Aufbruch deutscher Patrioten“ (AdP) angeschlossen haben, darunter der frühere Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Sächsische Schweiz, Egbert Ermer.

Der Zwickauer Benjamin Przybylla beklagte sich, statt des Kampfes mit dem politischen Gegner würden eigene Mitglieder unter Druck gesetzt. Landesvorsitzender Jörg Urban konstatiert hingegen eine „große Einigkeit“ im Landesverband. Nach einer Empfehlung des Parteisenats soll Urban auf dem bevorstehenden Parteitag auch zum Spitzenkandidaten gekürt werden. Allerdings könnte laut einer Absprache zwischen Urban und seinem Konkurrenten Tino Chrupalla acht Wochen vor der Wahl noch einmal neu entschieden werden, ob nicht Chrupalla möglicherweise das bessere Zugpferd als Ministerpräsidentenkandidat wäre.

Nach dem Ausscheiden der früheren Bundesvorsitzenden Frauke Petry bietet der sächsische Landesverband kein so desolates und zerstrittenes Bild wie der von Sachsen-Anhalt, den Poggenburg schon einmal als „Rattenloch“ bezeichnete hatte. Die Bundespartei setzt besonders stark auf die sächsische „Alternative“, der sie im Kampf gegen den erklärten Hauptgegner CDU die besten Chancen bei den drei anstehenden Landtagswahlen im Osten Deutschlands zutraut. Die Christdemokraten könnten allerdings Stimmen zurückgewinnen, wenn sie rechte Positionen der AfD übernähme, befürchtet der Landesvorsitzende Urban.

AfD versucht „sächsische Volkspartei“ zu werden

In ihrem bereits im Sommer 2018 verkündeten Zehn-Punkte-Plan versucht die AfD wiederum, das bisherige Image der Union als „sächsische Volkspartei“ zu übernehmen. „Wer sächsisch denkt und fühlt, wählt AfD“, beschwört sie wie einst die CDU die Einheit von Partei und Sachsen. Als Probe für die Landtagswahl gilt die Kommunalwahl am 26.Mai, speziell in Görlitz an der Neiße. Dort rechnet sich der Polizist Sebastian Wippel Chancen aus, Oberbürgermeister zu werden. Hier hatte bei der Bundestagswahl 2017 bereits Ministerpräsident Michael Kretschmer seinen Wahlkreis an Tino Chrupalla verloren.

Chrupalla, einer der fünf stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag, hatte jüngst seinem Hass auf unliebsame Journalisten Luft gemacht. In einem Mitgliederbrief sprach Chrupalla von „schwarzen Listen“ und forderte Mitglieder auf, ihm „Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten“ zu liefern. Sogar die CDU verurteilte umgehend diese „Sprache von Autokraten“. Erster Kandidat für Zwangsmaßnahmen nach einer AfD-Machtergreifung ist offenbar der Leiter der Görlitzer Regionalausgabe der Sächsischen Zeitung Sebastian Beutler. Er hatte über Zerwürfnisse und Manipulationen bei einem AfD-Kreisparteitag berichtet.

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3 Kommentare

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  • Richtig, aber nur insoweit die Machtergreifung im Umbau des gesamten gesellschaftlichen Umfelds zur Begünstigung der einen Partei und zum Schaden all derer, die ihr nicht folgen, zum Ausdruck kommt. Wir sehen es in Ungarn, Polen, den USA, Brasilien, Österreich, … und haben es bereits ausreichend oft vollendet gesehen in den vielen Bananenrepubliken, über die unsere „stabile Demokratie“ sich einst erhaben wähnen konnte. Und 1933 auch hier. Was die CDU/CSU/FDP/SPD in Bund und Ländern an rechtem und neoliberalem Ungeist auch schon entfesselt haben wäre wohl nur ein Lüftchen im Vergleich zu dem, was AfD-Funktionäre schon für einen Moment der Machtübernahme formuliert haben.

    Insofern kann sehr wohl von einer Machtergreifung gesprochen werden, wenn es einer Partei, wie der NSDAP gelingt, mit weit weniger Stimmen, als für eine absolute Mehrheit nötig, den kompletten Staat für das Zementieren ihrer Gestaltungsmacht einzuspannen und umzugestalten. Dazu bedurfte es natürlich einiger Steigbügelhalter. Zumindest in CDU/CSU, belegt durch das Nachschwatzen der AfD-Framings, dürfte einiges an willigem Personal bereitstehen, diese Rolle mit Verweis auf ihr Argument bereitwillig zu übernehmen.

  • Bitte nicht den Unsinn der Vergangenheit wiederholen. Wenn die AfD die Wahl gewinnt, ist das keine Machtergreifung. Auch die NSDAP hat die Macht nicht ergriffen, sondern wurde an der Urne gewählt.



    Das mag zwar alles unschön sein, aber Demokratie ist vor derlei ja nicht automatisch gefeit.

    • @emanuel goldstein:

      Die NSDAP wurde nicht an der Urne gewählt und hat sehr wohl die Macht ergriffen.



      Ein Sieg der AFD in Sachsen bzw das Wachsen zur stärksten Partei dort, wäre zwar erschreckend und beängstigend, aber in erster Linie doch ein sächisches und in weiteren Teilen ostdeutsches Problem.



      Erschreckend vor allem weil, so scheint es, auch rund 30 Jahre nach Ende der DDR recht große Teile noch immer nicht in der Demokratie angekommen sind.



      Andererseits sind es immerhin rund 2/3 der Menschen, mindestens, die nicht in die rechtsredikale Vereinfachungsfalle der AFD tappen. Auch und selbst in Sachsen.