Wahlkampf in Polen: Affärenbilder im Staatsfernsehen
Kurz vor den Wahlen hat Polens Geheimdienst einen angeblichen Korruptionsfall bei den Liberalen aufgedeckt. Die Ermittler unterstehen direkt Premier Kaczynski.
WARSCHAU taz Polens Geheimdienst hat wieder einmal zugeschlagen. Kurz vor den Wahlen hat das Zentrale Antikorruptionsbüro (CBA), das direkt dem Regierungschef Jaroslaw Kaczynski untersteht, einen Korruptionsfall bei den politischen Gegnern aufgedeckt. Die TV-Bilder, ausgestrahlt im Staatsfernsehen, zeigen eine Abgeordnete der Liberalen, wie sie verliebt mit dem Agenten plaudert und sich über den Blumenstrauß freut. Umgerechnet 25.000 Euro sollte sie zudem für die Vermittlung eines staatlichen Grundstücks an einen aus der Emigration heimkehrenden Polen bekommen.
Zwar liegt der Fall schon zwei Wochen zurück, zwar wurde die Abgeordnete schon aus der Bürgerplattform (PO) ausgeschlossen, doch der mit Geheimdienstvollmachten ausgestattete CBA-Chef meinte, dass die Öffentlichkeit jetzt unbedingt diese Aufnahmen sehen müsse. Mit den Wahlen am Sonntag habe dies nichts zu tun, versicherte er, nur mit der Wahrheit und natürlich mit "Recht und Gerechtigkeit", wie die Regierungspartei und deren Programm heißen.
Vor zwei Jahren hatte die PiS mit einem ähnlich unerwarteten "Skandal" kurz vor den Wahlen das Blatt zu ihren Gunsten gewendet. Diesmal jedoch könnte der Schlag ins Kontor der Liberalen ins Leere gehen. Denn gestern wurde bekannt, dass der beliebte Expremier Kazimierz Marcinkiewicz mit den PiS-Methoden nicht klarkomme und daher sein Parteibuch zurückgebe. Parteichef Kaczynski hatte im Sommer 2006 Marcinkiewicz gefeuert, um selbst auf dem Sessel des Ministerpräsidenten Platz nehmen zu können. Dass er den Wählern vorher versprochen hatte, dass er auf keinen Fall Regierungschef werden wür- de, wenn sein Zwillingsbruder Staatspräsident würde, interessierte ihn nicht mehr.
Nach den aktuellsten Umfragen liegt die liberale PO jetzt bei 39 Prozent und damit immerhin fünf Prozent vor Kaczynskis PiS. Auch die Linken und Demokraten (LiD) haben leicht zugelegt und könnten nun auf 15 Prozent kommen, die Bauernpartei PSL liegt bei 7 Prozent. Die bisherigen Juniorpartner in der Koalition, die linkspopulistische Bauernpartei Samoobrona und die rechtsradikale Liga der polnischen Familien scheinen es nicht über die Fünfprozenthürde zu schaffen. Entscheidend aber wird am Sonntag die Wahlbeteiligung sein. Je niedriger sie ist, um so rechter fällt das Wahlergebnis aus.
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