Wahlkampf in Pakistan: Vom Playboy zum religiösen Eiferer
Bei den Wahlen in Pakistan genießt Ex-Kricketstar Imran Khan die Unterstützung des Militärs. Seinen Erfolg erklärt er mit der „Gnade Gottes“.
Politiker sind erfolgreich, wenn sie Sehnsüchte und Projektionen eines Volkers verkörpern oder wenn die Menschen sich in ihnen wiederfinden können. An Imran Khans Biografie lässt sich die Geschichte Pakistans der vergangenen 30 Jahre erzählen – und daran scheiden sich die Geister. Nach der neuesten Meinungsumfrage des Sustainable Development Policy Instituts, einer Denkfabrik in Islamabad, liegt Khans Partei Pakistan Tehreek-e-Insaaf (PTI – Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) quasi gleichauf mit der regierenden Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N). Dies bedeutet auch, dass die PML-N, deren Premierminister Nawaz Sharif im Juli 2017 seines Amtes enthoben wurde, noch immer enorm populär ist.
Für Khan ist das keine gute Nachricht. Denn er hat sich seit Gründung seiner Partei 1996 stets als „saubere“ Alternative zu den korrupten Altparteien präsentiert. Doch Sharif, der wegen Korruptionsvorwürfen aus dem Amt gedrängt wurde und nun im Gefängnis sitzt, hat nicht nur eine recht erfolgreiche Wirtschaftspolitik gemacht. Seine Ablösung und der Wahlkampf in diesem Jahr tragen die Handschrift des Militärs. Missliebige TV-Sender wurden zum Teil für Wochen abgeschaltet, Journalisten entführt, Innenminister Ahsan Iqbal wurde von der PML-N auf einer Wahlveranstaltung angeschossen. Das alles ist nicht Khans Schuld, aber viele in Pakistan sind doch der Meinung, dass er ohne Hilfe der Armee kaum eine Chance hätte.
In einem Interview mit der Zeitung Dawn sagte er zu den Vorwürfen: „Das hier ist nicht Europa. Du kannst den Leuten nicht einfach sagen, wofür du stehst, und dann wählen sie dich.“ Doch vielleicht ist es genau das, was die Menschen wollen. Unvergessen ist zumindest in Pakistan, dass Militärdiktator Pervez Musharraf 2008 durch eine Volksbewegung gestürzt wurde und dass danach Benazir Bhuttos Volkspartei (PPP) mit großer Mehrheit gewählt wurde, obwohl die Spitzenkandidatin während des Wahlkampfes ermordet worden war.
Hohles Bekenntnis
Im Jahr 2013 fand zum ersten Mal in Pakistan ein demokratischer Machtwechsel statt: Nawaz Sharif wurde in freien und fairen Wahlen Premierminister. Und Imran Khan? Versuchte erfolglos das Ergebnis anzufechten, obwohl seine Partei hinter der PPP nur dritte Kraft wurde. Sein Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaat klingt da etwas hohl. Auch die Regierungsbilanz seiner PTI in Khyber Pakhtunkhwa, der einzigen Provinz, in der die Partei regiert, ist durchwachsen.
Zudem macht es den Eindruck, dass der ehemalige Profisportler Niederlagen schlecht verkraften kann. Als Kapitän der Kricketnationalmannschaft wurde er bereits vergöttert. Nach dem Ende seiner Karriere stieg er durch die Gründung von Krebskrankenhäusern, in denen 75 Prozent der Patienten kostenfrei behandelt werden, fast zu einem Nationalheiligen auf. Proportional dazu wuchs sein Ego. Dabei war sein Lebenswandel lange eher sündig. Im Jahr 1995 heiratete er die Londoner Milliardärstochter Jemima Goldsmith, deren Vater aus einer deutsch-jüdischen Familie aus Frankfurt am Main stammt. Mit ihr hat er zwei Söhne. Die Ehe wurde 2004 geschieden. Seine zweite Exfrau, die Journalistin Reham Khan, behauptet in ihrem kürzlich erschienenen Buch, er habe fünf uneheliche Kinder. Die Ehe der beiden dauerte nur ein knappes Jahr und zerbrach 2015. In Pakistan gibt es Gerüchte, Reham Khans Enthüllungsbuch sei ein Plot der PML-N. Doch Frauen, die von Imran Khan Alimente forderten, gab es schon vorher. Und eines ist sicher: ein Kind von Traurigkeit war er in seinem Liebesleben nie. Ob er nun jeden Abend „sechs Gramm Kokain“ verbrauchte, wie Reham Khan im Buch behauptet, oder nicht.
Im Februar dieses Jahres nun heiratete der 65-Jährige die „spirituelle Heilerin“ Bushra Wattoo (50). Die Fotos der Hochzeit sorgten für Aufruhr in sozialen Medien, denn die Braut trug einen Gesichtsschleier. Nach den stets in Designerlabel gehüllten Ehefrauen Nummer eins und zwei scheint Khan nun auch im Privatleben die religiöse Wende vollzogen zu haben, von der er seit rund 15 Jahren nur zu gern berichtet.
In zahlreichen Interviews und Artikeln erzählt der gebürtige Lahori, der gern seine paschtunischen Wurzeln hervorhebt, dass die Hinwendung zum Islam ihn zu einem besseren Menschen gemacht habe. Deshalb sei er in die Politik gegangen. Pakistan solle zu einem islamischen Wohlfahrtsstaat werden. In einem Artikel mit dem Titel „Warum der Westen nach Materialismus verlangt und der Osten an der Religion festhält“, lamentiert er darüber, dass „in Großbritannien 60 Prozent der Ehen geschieden werden“.
Die Taliban aufgebaut
Dabei ist es in Pakistan keineswegs ungewöhnlich oder originell, in der Politik die religiöse Karte zu spielen. Im Gegenteil. Unter der zweimaligen Premierministerin Benazir Bhutto baute Pakistan unter anderem die Taliban in Afghanistan auf. Ihr Vater, Zulfikar Ali Bhutto, machte 1973 den Islam zur Staatsreligion, um die Islamisten zufriedenzustellen. Unter Bhutto wurde auch die Ahmadiyya-Sekte, die bis heute massiv verfolgt wird, zu Nichtmuslimen erklärt. Doch das half Bhutto wenig. 1977 ließ ihn der Militärdiktator Zia ul-Haq hängen.
Pakistaner, die die Instrumentalisierung der Religion ablehnen, stehen Khan heute daher mehr als skeptisch gegenüber. Viele Anhänger hat er unter jungen Leuten in Pakistan. Denn durch die Islamisierung der Lehrpläne an Schulen und Universitäten sind heute weitaus mehr Jugendliche religiös als noch vor 20 Jahren.
Die Mittelklasse hingegen, die vor einigen Jahren noch eher bereit war, Khans Image als weißer Ritter im Kampf gegen die Korruption zu glauben, ist inzwischen vorsichtig geworden. Nicht nur weil viele der Meinung sind, dass die Korruptionsvorwürfe gegen Nawaz Sharif ein Instrument des Militärs sind, um einen beliebten Politiker loszuwerden. Khans eigene Partei PTI kämpft in der von ihr regierten Provinz Khyber Pakhtunkhwa ebenfalls mit Korruptionsvorwürfen. Diverse hochrangige Mitglieder, die aus anderen Parteien zur PTI übergelaufen sind, haben keineswegs nur blütenweiße Westen.
Vieles spricht daher dafür, dass Imran Khan, sollte er Premierminister werden, mit einer denkbar knappen Mehrheit zu regieren hat und dass die Legitimität der Wahl noch lange angezweifelt werden wird. Dies liegt durchaus im Interesse des Militärs, das nicht gern Götter neben sich hat. Imran Khan ist ohnehin der Meinung, dass er „seine Erfolge“ nicht sich selbst, sondern der „Gnade Gottes verdanke“. Die pakistanischen Wähler würden den Stimmzettel bevorzugen.
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