Wahlkampf in Frankreich: Macrons Super-Bowl-Event
Bei seinem einzigen Wahlkampfauftritt beschwört Frankreichs Präsident die Einheit und Europa. Sein Kampf gilt vor allem Rivalin Le Pen.
Mit La Ola, Livemusik und Nationalhymne überbrückte er die Wartezeit bis zum Auftritt des Kandidaten, der zu einem Feuerwerk die sechseckige Bühne in Blau-Weiß-Rot betrat. Eine Art Super Bowl solle die Veranstaltung eine Woche vor dem ersten Wahlgang werden, hatte einer seiner Berater angekündigt. Und zumindest der Einzug des Präsidenten erinnerte an das US-Football-Spektakel.
Danach hatte das Publikum allerdings Schwierigkeiten, der gut zweistündigen Rede zu folgen, in der Macron zunächst langatmig Bilanz zog. Vom Enthusiasmus, der den damals jüngsten Präsidenten der Geschichte 2017 in den Élysée-Palast gebracht hatte, war streckenweise nur wenig zu spüren.
Das änderte sich erst, als Macron nach anderthalb Stunden zum ersten Mal das Wort „Europa“ aussprach. Seine Liebeserklärung an den Kontinent, „dieses kleine Stückchen Land“, war ganz nach dem Geschmack seiner Zuhörerinnen und Zuhörer.
Gegen die übel erregenden Rechten
„Wir brauchen Emmanuel Macron, um Europa und das deutsch-französische Paar zu stärken. Die anderen wollen alle die deutsch-französische Beziehung kaputt machen“, sagte Gabriel Rafaty, ein 44-jähriger Unternehmer mit Europafahne in der Hand. Zusammen mit seiner Partnerin ist er erst vor Kurzem in Macrons Partei eingetreten. „Weil die Extremisten zu stark werden.“
Jene Extremisten griff Macron in seiner Rede an, ohne ihre Namen zu nennen. „Frankreich ist ein Block, wo man nicht sortiert, nicht auswählt, sondern wo man alle liebt“, sagte er an die Adresse seiner größten Rivalin, der Rechtspopulistin Marine Le Pen, die eine „nationale Priorität“ beispielsweise bei der Sozialhilfe und der Wohnungsvergabe einführen will.
Eindringlich warnte Macron davor, die Wahlen bereits für gewonnen zu halten. „Die extremistische Gefahr ist in den vergangenen Jahren noch größer geworden, denn der Hass wurde in der öffentlichen Debatte banalisiert.“ Antisemiten und Rassisten seien inzwischen regelmäßig im Fernsehen zu sehen. „Wir haben uns an ihre schmutzigen Behauptungen und ihre übel erregenden Theorien gewöhnt.“ Der Satz dürfte dem rechtsextremen Kandidaten und früheren Fernsehkommentator Éric Zemmour gegolten haben, der wegen Volksverhetzung bereits mehrmals verurteilt wurde.
Macron hatte seine Kandidatur erst spät erklärt und seither nur einige kleine Auftritte absolviert. Statt dessen widmete er seine Zeit dem Ukraine-Krieg und telefonierte regelmäßig mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenski.
Umfragen sehen eine knappe Stichwahl am 24. April
Die hohen Umfragewerte, die ihm die Rolle als Krisenmanager anfangs einbrachte, schrumpften zuletzt deutlich zusammen. Dem Amtsinhaber werden nun in der ersten Runde 27 Prozent vorausgesagt, seiner Rivalin Le Pen 22 Prozent. Dahinter folgen der Linksaußen Jean-Luc Melenchon mit 15, Zemmour mit 11,5 und die Konservative Valérie Pécresse mit 9 Prozent.
In Umfragen zur Stichwahl am 24. April liegt Macron mit 53 Prozent nur noch knapp vor Le Pen, die er vor fünf Jahren noch deutlich hinter sich lassen konnte. Seine größte Attacke galt deshalb auch der Rechtspopulistin und ihren Leuten: „Sie nennen sich Patrioten und lassen ihre Partei aus dem Ausland finanzieren“, kritisierte er die Wahlkampffinanzierung, die Le Pens Partei 2017 von einer russischen Bank erhalten hatte. „Sie wollen morgens aus dem Euro aussteigen und abends nach Europa zurückkehren“, bemerkte er zum Schwenk Le Pens in der Europapolitik.
Nur am Rande ging der Kandidat auf die McKinsey-Affäre ein, die nach der Veröffentlichung eines Senatsberichts vor zwei Wochen aufgekommen war. Demnach verdoppelten sich unter Macron die Ausgaben für Beratungsfirmen wie dem US-Unternehmen McKinsey 2021 auf fast 900 Millionen Euro. Gleichzeitig zahlte McKinsey zwischen 2011 und 2020 keine Steuern in Frankreich. Heikel für den Präsidenten ist, dass einige Mitglieder seiner Partei LREM zwischen McKinsey und Partei hin und her wechselten. Le Pen sprach von einem „Skandal“, der den Staat schwäche.
Macron verwies darauf, dass sowohl frühere Regierungen als auch Kommunen regelmäßig externe Berater nutzten. Er zog es vor, zur Einigkeit aufzurufen. Sozialdemokraten, Konservative und Grüne sollten sich ihm anschließen. „Denn wir haben nur eine Partei: unser Land.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!