Wahlkampf-Triell in der taz: Rot-grün-rote Harmonie
Der Matthias Miersch (SPD), die Grüne Franziska Brantner und der Linke Bodo Ramelow vertragen sich. Sie reden über Rechtsruck und linke Perspektiven.
Etwa 100 Menschen haben sich versammelt, um den Talk „Rechte Narrative und linke Niederlagen“ zwischen der Grünen-Vorsitzenden Franziska Brantner, dem kommissarischen SPD-Generalsekretär Mathias Miersch und Thüringens Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow, der linken „Silberlocke“, zu verfolgen. Moderiert wird die Veranstaltung von den taz-Redakteurinnen Anna Lehmann und Sabine am Orde.
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taz Triell zur Bundestagswahl
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Das taz Triell zur Bundestagswahl
Als sei man der bisweilen vergifteten Wahlkampfzeit ein bisschen Harmonie schuldig, so wirkt die Diskussion an diesem Abend. Es geht um die Frage, wie man dem gesellschaftlichen Rechtstrend begegnet und wieder progressive Themen auf die Agenda setzt. Dass das erforderlich ist, darin sind sich die Diskutant:innen und das Publikum einig.
Laut wird es zwischen Brantner, Miersch und Ramelow kein einziges Mal. Die Redner:innen beziehen sich in ihren Beiträgen aufeinander, stimmen sich öfter zu. Sie geben sich große Mühe, nicht ihre parteipolitischen Differenzen, die es ja durchaus gibt, in den Vordergrund zu stellen. So lobt Ramelow sogar den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck, der sich um energieintensive Unternehmen in Thüringen gekümmert habe.
„Dauernde Streitereien geben keine Sicherheit“, sagt Brantner. Und sie beklagt, wie schwer es sei, gegen den politischen Gegenwind und verschiedene Fake-News-Kampagnen beispielsweise aus Russland anzukämpfen. Dem pflichten die anderen beiden bei. Der Unsicherheit, die Menschen spüren, müsse mit einem handlungsfähigeren Staat begegnet werden, sind sie sich einig. Zum Beispiel beim Klimaschutz. Er müsse sozial gerecht sein. Nur, wie das geschehen soll, bleibt unkonkret.
Konkreter wird es, als es um den ewigen Streit über Windkraftanlagen geht. Es sei wichtig, dass Menschen vor Ort das Windrad nicht nur drehen sehen, sondern auch, dass sie ganz unmittelbar selbst etwas davon haben, sagt Ramelow. „Bei uns in Thüringen sehen viele nur, dass sich viele Dinger drehen, aber das Geld fließt woanders hin“, moniert er. Das senke die Akzeptanz.
Ramelow erzählt von dem kuriosen Kampf von CDU, FDP und AfD gegen die Windenergie in seinem Land. Hier habe sich besonders die FDP per Plakatkampagne für Wälder eingesetzt, von denen nur noch Stummel stehen, weil „die Fichte sich von selbst verabschiedet habe“, so der Linken-Politiker. Jetzt stelle er sich „immer vor, wie Herr Kemmerich zwischen dem Abgestorbenen steht und sagt: Der Wald bleibt!“ Das Publikum lacht.
Der Sicherheitsaspekt
Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Diskussionsrunden geht es um das Thema Migration erst am Ende. Um dem hetzenden Diskurs entgegenzuwirken, sei es wichtig, klarzustellen, dass Sicherheit für alle wichtig sei. Dahintersteckende Muslimfeindlichkeit müsse scharf zurückgewiesen werden, sagt Brantner. „Behörden müssen besser zusammenarbeiten“, fordert sie. Jeder, der ankommt, solle direkt arbeiten können, auch da ist man sich einig. Kritik an der Verschärfung der Migrationspolitik, bei der auch der Kanzler für mehr Abschiebungen wirbt, wird von Miersch zurückgewiesen. Einzelne Stimmen aus dem Publikum widersprechen ihm.
Eine Frau will wissen, wie die Bürger:innen abseits von Wahlen mehr in politische Entscheidungen einbezogen werden können. Konsens herrscht, dass es mehr Bürgerbeteiligung brauche. In welcher Form, darüber gehen die Auffassungen jedoch auseinander. Während die Grüne für Bürgerräte wirbt, setzt der Linke sich für Volksabstimmungen ein.
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Am Schluss zitiert Ramelow den Liedermacher Wolf Biermann: „Lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit.“ Eine Frau schreibt sich die Worte auf. Es ist die Message, die man von Rot-Rot-Grün an diesem Abend mit nach Hause nehmen kann: dass zuhören und einander verstehen in Zeiten von Hass und Fake News wichtiger werden, um progressive und linke Themen auf die politische Agenda zu setzen.
Die meisten Besuchenden machen sich zufrieden auf den Nachhauseweg. „Ich hätte mir nur noch mehr Differenzen gewünscht, aber es war angenehm“, sagt eine junge Frau.
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