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Wahlerfolge britischer RechtspopulistenUkip on the Block

In Benfleet östlich von London holten die Rechtspopulisten der britischen Ukip bei Regionalwahlen 42 Prozent – kein Einzelfall. Ein Besuch an der Basis.

Hinter diesen Mauern… Straße in Benfleet. Bild: Daniel Zylbersztajn

BENFLEET taz | „Ich habe Ukip gewählt“, sagt James Fry. Der 26-Jährige mit Bärtchen wartet vor dem Supermarkt mit seinem Hund auf seine Freundin. Früher, sagt er, wählte er die Neonazis von der BNP (British National Party). Die holte bei den letzten Regionalwahlen im Kleinstädtchen Benfleet in Essex 652 Stimmen.

Dieses Jahr blieben für die BNP in Benfleet ganze 35. Wahlsieger mit 1.723 Stimmen (41,9 Prozent) wurde die neue aufstrebende Kraft in der britischen Politik: die Ukip (United Kingdom Independence Party), die für den Austritt Großbritanniens aus der EU eintritt und bei den Regionalwahlen in England am 2. Mai sensationelle 25 Prozent holte, in der Grafschaft Essex nordöstlich von London sogar 26 Prozent.

In Benfleet war es das erste Mal, dass Ukip überhaupt antrat. Benfleet ist ein eine uralte Stadt an einer Nebenmündung der Themse, 60 Kilometer östlich von London. In schicken Eigenheimen unter der alten Kirche mit Englandfahne leben gutbetuchte Bürger, von denen viele ihr Geld in der Londoner City verdienen. Klassische konservative Wählerschaft.

Die 46-jährige Jena Mason wählte immer konservativ. Vor der Grundschule South Benfleet berichtet die Mutter von drei Kindern, dass sie diesmal Ukip ihre Stimme gab. „Großbritannien ist zu offen!“, meint sie und schildert, wie „im Januar (2014) 24 Millionen ausländische Einwanderer nach England kommen werden“. Auf die Frage, wie sie das wisse, antwortet sie, sie hätte das so im Daily Mail und anderen Zeitungen gelesen.

Cameron gibt nach

Der britische Premierminister David Cameron gibt dem von Ukip bedrängten rechten Flügel seiner Konservativen nach. Er versprach einen Gesetzentwurf, der eine Volksabstimmung über den briti- schen EU-Austritt 2017 fest- schreibt. Damit reagiert Cameron auf die Gefahr, die anstehende Routineabstimmung im Unter- haus über seine eigene Regie- rungserklärung zu verlieren. (taz)

Wahlkampfthema Einwanderbeschränkung

In Teilen der englischen Presse schreibt man immer wieder mit aufgeblasenen Zahlen über die „Gefahr“ der Rumänen und Bulgaren, die ab 2014 mit neuer EU-Reisefreiheit alle nach England kommen würden. Einwanderungsbeschränkungen waren eines der wichtigsten Ukip-Wahlkampfthemen. In Benfleet erwähnen es nahezu alle Befragten – obwohl es hier merkbar wenig Menschen mit Migrationshintergründen gibt.

Oder vielleicht gerade deswegen? „Es waren die vielen Ausländer, die mich nach Benfleet brachten“, sagt Steve. Der Mittvierziger ist aus Ostlondon hergezogen und sitzt jetzt mit seinem älteren Kumpel Brian beim Bier. „Ich wollte nicht, dass meine Kinder in eine Klasse gehen müssen, wo nur 10 Prozent Engländer sind“, sagt er.

Die Stadtflucht weißer Engländer aus Teilen Londons hat in den letzten Jahren enorme Ausmaße angenommen. Die neureiche, konsumorientierte Arbeiterschicht ist aus der kosmopolitischen Metropole an den Stadtrand oder ins Umland gezogen.

Brian behauptet, dass die Osteuropäer alle nach England kommen, um von Sozialhilfe zu leben. Steve wendet ein, dass viele der Menschen aus Bangladesch und Osteuropa, die er kennt, eigentlich hart arbeiten. Für Einwanderungskontrollen spricht sich auch Jamamir Hussein aus, ein Kellner, der vor sechs Jahren aus Bangladesch kam und in einem der indischen Restaurants in Benfleet arbeitet. „Je mehr kommen, umso weniger Arbeit gibt es!“, findet er.

Immer Labour gewählt – bis jetzt

John Sturton, 67, hat immer Labour gewählt. Aber nächstes Mal sei Ukip dran, sagt der pensionierte Bauarbeiter. Denn gleich um die Ecke solle eine neue Sozialsiedlung entstehen, in einer bisher geschützten Grünzone. „So geht es nicht weiter!“, sagt er und kommt auch auf Einwanderung zu sprechen.

Der Ukip-Wahlsieger in Benfleet ist Alan Bayley, 66. Er fügt im Gespräch beide Themen zusammen: Wohnungsbau und Migration. „In die neuen Wohnungen kommen sicherlich neue Immigranten, obwohl britische Bürger seit Jahren auf der Warteliste stehen“, sagt der in London geborene ehemalige Kneipenwirt. Die vielen Einwanderer seien eine Belastung des Sozialsystems. Politische Entscheidungen würden nicht im Interesse britischer Bürger getroffen.

Ist Ukip rassistisch? „Im Gegenteil“, sagt Bayley. „Wir sind eine Partei, die den Menschen die Demokratie zurückgibt, weil wir ihnen eine Alternative bieten“. Er sieht sich als enttäuschter Konservativer, mit Thatcher als Idol. Aber er würde nicht wie die Eiserne Lady „das Land mehr als die Menschen lieben“.

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11 Kommentare

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  • DZ
    Daniel Zylbersztajn

    Nun ja zu eueren Kommentaren kann ich dies beifuegen: Bayley war durchaus daran interessiert wie es AFD in Deutschland geht. Er fragte mich direkt danach. Immerhin, er wusste von AfD, was zeigt, dass die Leute von der Ukip Interesse an den Entwickelungen mit Pareien wie ihrer in Europa haben; eine europaeische Vereinigung (paradoxerweise) der populistischen Parteien von rechts von Rechts zur Abschaffung der europaeischen Vereinigung? Auf meinem Blog (dzx2.net) gibt noch ein paar Kommentare mehr aus Benfleet unter anderen eines Sozialisten und eines jamaikanischen Einwanderers der seit 1955 in England lebt.

  • WH
    Wer hat Angst vor der AfD ?

    Ich bestimmt nicht. Warum auch?

     

    http://www.sueddeutsche.de/politik/streit-in-landesverbaenden-bei-der-afd-versagt-die-vernunft-1.1672108

     

    Die AfD wird da enden, wo ähnliche Versuche, sich rechts von der Union parteipolitisch zu organisieren, ebenfalls geendet sind: In der Bedeutungslosigkeit.

     

    P.S.

     

    Wer war gleich nochmal "Die Freiheit"?

  • F
    FMH

    @Karl-August

    Die Kommentare werden ja immer besser! Grossbritannien und konstruktive Reform der EU, damit könnten sie zum Kabarett gehen.

  • K
    Karl-August

    Ich wünsche mir, dass GB mit einer starken (gemäßigten) UKIP in der EU bleibt und sich konstruktiv an der Reform des Staatenbundes beteiligt.

     

    Die Politik der "Integration", der Zentralisierung und des "Mehr Europa" ist unzweifelhaft gescheitert. Wir brauchen ein Bündnis souveräner Nationen, die in einem gemeinsamen Markt mit eigenen Währungen (oder innerhalb kleinerer Währungsverbünde) selbstbestimmt und eigenverantwortlich handeln und da, wo es Sinn macht, sinnvoll kooperieren. So ließe sich Europa wieder zukunftstauglich machen, dies wäre in der Tat progressiv.

     

    In Deutschland sehe ich diesbezüglich gute Ansätze bei der AfD.

  • K
    Kaboom

    Nuja. Hauptziel der UKIP ist bekanntlich, dass GB die EU verlässt. Zumindest mit diesem einen Punkt stimme ich überein. GB ist seit Thatcher ein Land, das mit Europa wenig zu tun hat, und seit Blair zum Pudel von G.W.Bush wurde, für die Entwicklung Europas kontraproduktiv. Und was den Rest angeht: So what? Wenn die Engländer meinen, es sei Zeit, das Land in eine hinterwäldlerische Provinz zu verwandeln: Sollen sie.

  • T
    Tantris

    Bisher habe ich bei den Wahlen stets Rot-Grün unterstützt,Aber die Verhältnisse in Deutschland u.die ausländerpolitik v.Rot-Grünzwingen mich demnächst die AfD u.falls sie kommt,eine vergleichbare Partei zurUkip zu wählen

  • F
    FMH

    @FaktenStattFiktion

    Die AfD progressiv? Irgendwie muss ich schon prusten. Was man auch davon halten will, progressiv ist sie sicher nicht.

    Außerdem verstehe ich nicht, warum sie eigentlich die taz lesen, das muss sie doch nur dauernd ärgern.

  • S
    Starost

    Backlash nennt man sowas auf englisch. Die Wähler sind aus dem multikulturellen London weggezogen, weil sie die Schnauze voll hatten davon, Merrschweinchen in einem soziokulturellen Experiment von Leuten zu sein, die wohlweislich damals schon im Rotweingürtel der Stadt lebten. Doch nun zieht das Problem auch raus aufs Land - und die grüne Basis bröckelt.

     

    Sie haben aber mit ihrer Wahlentscheidung natürlich trotzdem unrecht, das erkennt man ja schon an der stringenten Beweisführung mit dem Bärtchen. Denn wo kämen wir hin, wenn in einer Demokratie jeder wählen dürfte, wen er will.

     

    Nur die taz bleibt klarsichtig und hält - wie stets - unbeirrt Kurs Richtung Eisberg.

  • K
    karakoram

    Whoa, was ist bei der taz-Leserschaft los? Der dümmlich rechte Dreck in den Kommentarspalten wird immer mehr. Gerade vom "Rassismus im italienischen Fußball und der italienischen Gesellschaft"-Kommentar hierher geschwenkt und wieder dasselbe.

     

    Interessanterweise, wie ich es grundsätzlich bei Rechten sehe, konsequent ohne Argument. Einfach nur Gepöbel, gegenstandslose Gehässigkeit und knallharte Überzeugung wider die (tatsächlichen) eigenen Interressen.

     

    Vielleicht sollte man sich freuen, dass so viele Verwirrte sich zur taz verirren, vielleicht schlägt da ja doch noch irgendwann ungewollt die Erkenntnis zu..

  • J
    Jaheira

    Der Artikel handelt von einer rechtsradikalen britischen Partei. Ich finde es interessant, dass hier ein AfD-Anhänger meint, die AfD sei genau so eine progressive Partei.

     

    Lieber "FaktenStattFiktion", ist die AfD Ihrer Meinung nach ausländerfeindlich? Falls nicht, in welchem Zusammenhang steht dann Ihr Posting zum Text?

  • F
    FaktenStattFiktion

    Es wird Zeit, dass endlich auch Deutschland eine progressive Partei bekommt. Die AfD fängt gut an, mal sehen ob diese Partei es schafft, den ewig gestrigen Parolen von 1968 eine zukunftsträchtige Politik entgegen zu stellen.

     

    Wir werden es sehen. Je öfter ich hier die Worthülse von "Rechtspopulisten" höre, desto besser ist die Lage. Die Angst geht um bei den Linken.