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Wahlen in NordmazedonienWenn die Gedemütigten demütigen

Kommentar von Ferry Batzoglou

Nordmazedoniens proeuropäische Sozialdemokraten wurden von EU-Mitgliedsstaaten im Stich gelassen. Jetzt rückt das enttäuschte Land nach rechts.

Hristijan Mickoski, der Vorsitzende der VMRO-DPMNE, nach dem Wahlsieg Foto: Boris Grdanoski/AP/dpa

R echtsruck und Machtwechsel in Nordmazedonien: Wie erwartet, hat sich die nationalkonservative VMRO-DPMNE, die „Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit“, unter Parteichef Hristijan Mickoski bei den Parlamentswahlen abermals als stärkste politische Kraft in dem südosteuropäischen Kleinstaat etabliert. In Gordana Siljanovska-Davkova setzte sich zudem die von ihr unterstützte Kandidatin in der Stichwahl um das Präsidentenamt klar durch.

Dass die ausgesprochen proeuropäischen Sozialdemokraten (SDSM) bei den Doppelwahlen derart unter die Räder geraten, hat jedoch überrascht. Gleich 20 Prozentpunkte verlor die SDSM unter Ex-Premier Dimitar Kovacevski im Vergleich zur letzten Wahl. Sie ist nicht nur die Macht im Zwei-Millionen-Einwohner-Land los. Für die SDSM ist das Ergebnis eine krachende Niederlage, gar eine Demütigung.

Galoppierende Energiepreise, sinkende Reallöhne, eine ausufernde Korruption: Ja, das hat die seit 2017 von der SDSM geführte Regierung in Skopje im Innern unstrittig in Verruf gebracht, mithin ihre Wählerbasis erodiert. Doch die SDSM, die es sich wie keine andere Partei in Nordmazedonien auf die Fahnen geschrieben hat, das Land endlich in die EU zu führen, ist im Stich gelassen worden. Von außen, von den EU-Eliten in Brüssel sowie einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Schwergewichten.

Der Frust in Skopje ist groß

Schon seit 2005 ist der Vielvölkerstaat EU-Beitrittskandidat. 2019 änderte er auf Druck von Griechenland den Staatsnamen von Mazedonien in Nordmazedonien. Das Gros der Bevölkerung glaubte fest daran, im Gegenzug dafür einen Riesenschritt in die volle EU-Mitgliedschaft vollzogen zu haben. Doch plötzlich stellt Bulgarien Forderungen, die an den Grundfesten des Nationalbewusstseins in Nordmazedonien rütteln. Der Frust in Skopje ist groß.

Das hierzulande vorherrschende Gefühl ist: „Wir dürfen nicht in die EU, wie wir sind, sondern erst dann, wenn wir unsere Gliedmaßen verkürzen oder vollständig verlieren.“ Weil sie sich gedemütigt fühlten, demütigten die Bürger ihre Regierung. Das war ihre Wahl, eine klare Botschaft. Findet sie draußen Gehör?

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KORRESPONDENT ATHEN
1967 in Weiden in der Oberpfalz (Bayern) geboren, in der Südpfalz (Rheinland-Pfalz) aufgewachsen, Abitur in Baden-Württemberg. Grundstudium der Rechtswissenschaft in Heidelberg sowie Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte in Köln. Brach 1994 im Alter von knapp 27 Jahren die Zelte in Deutschland ab. Lebt seither in Athen. Redakteur für Wirtschaft und Sport in der deutschsprachigen "Athener Zeitung" (Anfang September 1999 bis Ende März 2002), anschließend Korrespondent für deutschsprachige Medien. Länderschwerpunkt Griechenland und Zypern. Henri Nannen Preis 2012 in der Kategorie Dokumentation.
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  • Das Problem ist doch, dass die EU so wie sie ist nicht erweiterungsfähig ist. Bevor nicht wichtige interne Entscheidungsprozesse verändert werden, so lange darf die EU schon im eigenen Interesse keine neuen Mitglieder aufnehmen. Ungarn und Polen haben in der Vergangenheit gezeigt, wie man die EU in ihrem jetzigen Zustand vorführen ohne dass diese in der Lage ist etwas dagegen zu unternehmen. So lange das möglich ist sollte sie EU einen Teufel tun und einen weiteren korrupten Kleinstaat des Balkans aufnehmen. Erst die EU Reform, dann die Erweiterung. Alles andere würde dieses großartige Projekt EU zum Scheitern bringen und das kann kein Europäer wollen.