Wahlen in Namibia: 34 Jahre sind genug. Oder?
Seit 1990 regiert in Namibia die ehemalige Befreiungsbewegung Swapo. Das könnte sich jetzt ändern. Wirtschaftsprobleme dominierten den Wahlkampf.
Die Wahlen finden knapp neun Monate nach dem Tod von Präsident Hage Geingob während seiner Krebsbehandlung statt. Sein Stellvertreter Nangolo Mbumba übernahm das Amt, dessen reguläre Amtszeit bis März 2025 läuft. Aber bei den Wahlen tritt er selbst nicht als Präsident an. Swapo-Spitzenkandidatin ist Netumbo Nandi-Ndaitwah.
Sie dürfte es schwer haben, denn die Swapo steht unter Druck wie nie zuvor. Schon bei den letzten Wahlen 2019 verlor die Regierungspartei erstmals ihre Zweidrittelmehrheit im Parlament und der damalige Präsident Geingob rutschte von 86 auf 56 Prozent der Stimmen ab.
Dies wurde der Verwicklung von Regierungsmitgliedern in Korruption und Geldwäsche zugeschrieben, etwa dem „Fishrot“-Skandal um Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Fischereilizenzen – der größte Skandal in der Geschichte des unabhängigen Namibia.
Hohe Jugendarbeitslosigkeit
Heute ist Namibias Jugend eher noch unzufriedener als vor fünf Jahren. In dem Land mit 3 Millionen Einwohnern liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 20 Prozent. Die Mehrheit der 1,4 Millionen registrierten Wähler sind Jungwähler, die nach der Unabhängigkeit geboren wurden und sich die Erinnerungen an den verlustreichen Swapo-Befreiungskrieg nicht zu eigen machen.
Im gesamten südlichen Afrika ist zu beobachten, dass die junge Generation sich von den alten Befreiern abwendet. In Südafrika verlor der regierende ANC (African National Congress) im Mai seine Mehrheit im Parlament, nach 30 Jahren an der Macht. In Botswana verlor die seit der Unabhängigkeit 1966 regierende BDP (Botswana Democratic Party) am 30. Oktober die Wahlen haushoch, nach 58 Jahren an der Macht. Mauritius erlebte am 10. November einen Erdrutschsieg der Opposition.
In Mosambik kämpft die seit der Unabhängigkeit 1975 regierende Frelimo (Front for the Liberation of Mozambique) um ihre Legitimität, nachdem die Opposition ihr vowirft, ihren Sieg bei den Wahlen vom 9. Oktober gefälscht zu haben. Dutzende von Menschen sind seither bei Protesten getötet worden.
„Für Namibia ist das ein Schlüsselmoment“, sagt der politische Analyst Petrus Sinimbo. „Entweder bekommt das Land seine erste Frau an der Staatsspitze oder die Swapo wird die nächste Befreiungspartei im südlichen Afrika, die abgewählt wird. Der Wind des Wandels im südlichen Afrika spart Namibia nicht aus.“
Die Swapo verspricht neue Arbeitsplätze
Spitzenkandidatin NNN, wie Netumbo Nandi-Ndaitwa allgemein genannt wird, verspricht im Wahlkampf, gegen die Arbeitslosigkeit zu kämpfen und neue Arbeitsplätze zu schaffen – 500.000 in fünf Jahren. Kritiker halten dies allerdings für unmöglich, zumal Namibia sich noch nicht von der Wirtschaftskrise der Coronapandemie erholt hat und jetzt die schwerste Dürre seit 100 Jahren erleidet.
„Wie will sie in fünf Jahren erreichen, was ihre Partei in 34 Jahren nicht geschafft hat?“, fragt Paulus Shipanga zurück, nach den NNN-Versprechen gefragt. „Das ist unrealistisch, es ist bloß Wahlkampf.“
Unterstützer der Regierungspartei verweisen darauf, dass die Aussichten gut sind. Das Wirtschaftswachstum liegt laut IWF bei 3 Prozent und die namibische Volkswirtschaft ist mittlerweile immerhin auf ihr Niveau von vor der Pandemie zurückgekehrt.
Wichtiger noch: Große Öl- und Gasreserven harren der Ausbeutung, und mit dem „Green Hydrogen Project“, unter anderem in Partnerschaft mit Deutschland vorangetrieben, will sich Namibia als Vorreiter und Profiteur der globalen Energiewende etablieren.
NNN mobilisiert vor allem auf sozialen Medien. „Wir sind zu viele, um zu verlieren“, schrieb die Swapo-Spitzenkandidatin. „Wir wollen eine Präsidentin, und Nandi ist diese Präsidentin.“ Ihre Hauptkonkurrenten in einem Feld von 15 Präsidentschaftskandidaten sind Panduleni Itula von den „Independent Patriots for Change“ (IPC), McHenry Venaani von der großen Oppositionskraft „Popular Democratic Movement“ (PDM) und Henk Mudge von der einst weißen „Republican Party“.
Tansania führt SADC-Wahlbeobachtermission
Eine Wahlbeobachtermission der Regionalorganisation SADC (Southern African Development Community) traf vergangene Woche in Namibia ein, geführt von der ehemaligen Parlamentspräsidentin von Tansania, Anne Semamba Makinda.
SADC wird häufig beschuldigt, bei Wahlen nicht neutral zu sein und sich hinter die Regierungsparteien ihrer Mitgliedstaaten zu stellen, auch wenn diese Unregelmäßigkeiten begehen. Zuletzt gratulierte der amtierende SADC-Vorsitzende, Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa, Mosambiks Frelimo zum Wahlsieg, noch bevor die Ergebnisse verkündet waren.
Auch in Namibia schließen manche Beobachter Spannungen nach der Wahl nicht aus, sollte es Steit ums Wahlergebnis geben. Doch Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan, Vorsitzende des SADC-Sicherheitsorgans, setzt auf Namibia als bewährter regionaler Vorreiter demokratischer Prinzipien und friedlicher Politik. „Wir sind zuversichtlich, dass die Bürger Namibias erneut einen vorbildlichen Wahlprozess abliefern werden, der demokratische Grundsätze beachtet, sowohl am Wahltag als auch danach“, sagte sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW