Wahlen in Gambia: Die Murmeln sind gefallen
Präsident Adama Barrow sichert sich eine zweite Amtszeit. Gambias Wahlsystem mit Murmeln statt Stimmzetteln begeistert Wahlbeobachter.
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Die Wahlbeteiligung lag unter den 2,2 Millionen Einwohner*innen bei mehr als 89 Prozent – ein Zeichen dafür, wie wichtig die Wahl vielen Menschen war. Es war Gambias erste Wahl ohne Langzeitherrscher Yahya Jammeh, der 2016 gegen Barrow verlor und bis heute im Exil als einflussreich gilt.
Schon bald nach Schließung der Wahllokale zeichnete sich Barrows erwarteter Sieg ab. In der Nacht zu Montag ließ er sich schließlich in der Hauptstadt Banjul von seinen Anhänger*innen bejubeln. Mit ersten Feiern hatten viele schon am Nachmittag begonnen.
Barrow, der gemeinsam mit seinen zwei Frauen auftrat, sagte: „Die Demokratie hat sich für uns eingesetzt und hilft uns, das Land in den nächsten fünf Jahren reibungslos zu führen.“ Auch rief er dazu auf, politische Differenzen beiseite zu legen und als ein geeintes Volk für die Entwicklung des Landes zu arbeiten.
Zweifel am Ergebnis äußerten bereits vor der offiziellen Bekanntgabe die Oppositionskandidaten Darboe, Essa Mbye Faal und Mama Kandeh. Sie zweifelten die Zahlen an und gaben in einer Mitteilung bekannt, die Beobachter*innen ihrer Parteien hätten verschiedene Vorfälle registriert.
Am Wahltag hatte Ernest Bai Koroma, Chef der Wahlbeobachter der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und ehemaliger Präsident von Sierra Leone, alle sechs Kandidaten und deren Unterstützer dazu aufgerufen, das Ergebnis zu akzeptieren. Das sei wichtig für den demokratischen Prozess. Auch würde es so einen großen Gewinner geben: das gambische Volk.
In Gambia wird nicht mit Stimmzetteln abgestimmt, sondern mit Murmeln. Jede*r Wähler*in – insgesamt waren gut 960.000 registriert – erhält eine Murmel und wirft sie in die Dose für den jeweiligen Kandidaten. Dieses System, das vor rund 60 Jahren eingeführt wurde, soll Fälschungen verhindern und Analphabet*innen die Teilnahme an der Wahl erleichtern.
Nach UN-Angaben kann bis heute in Gambia nur jede*r zweite Erwachsene lesen und schreiben. Der Sierra-Leoner Ernest Bai Koroma bezeichnete die Vorgehensweise als phänomenal: schnell, günstig und typisch afrikanisch.
Auf Barrow kommen nun eine Reihe großer Aufgaben zu. Er hat gerade den Abschlussbericht der Wahrheitskommission erhalten, die Menschenrechtsverbrechen während der Herrschaft Jammehs dokumentiert hat und eine Aufarbeitung der Verbrechen wie Folter, Ermordung und Verschleppung empfiehlt.
Auch gilt es, bessere Perspektiven in Gambia für junge Menschen zu schaffen. Aufgrund mangelnder Jobaussichten bleibt der Wunsch, nach Nordafrika und Europa auszuwandern, groß.
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