Wahlen in Frankreich: Demut ist Macron fremd
Die Niederlage bei den Parlamentswahlen geschieht dem Präsidenten ganz recht. Seine Hybris ist ihm zum Verhängnis geworden.
N iemand muss in Zukunft mehr krass rechts oder krass links wählen – es gibt ja mich und meine Bewegung“: Kurz gefasst war das die Botschaft, die Emmanuel Macron 2017 aussendete, als er unter dem Banner von En Marche (heute „Renaissance“) Frankreichs Staatspräsident wurde. Er hat jetzt, kurz nach seiner Ach-und- Krach-Wiederwahl Ende April, eine ihn und seinen kompromisslosen Machtwillen demütigende Quittung erhalten.
Denn Demut und Kompromissbereitschaft sind solch derartige Fremdworte für den 44-Jährigen samt seiner Partei, dass erstens über die Hälfte der Französ*innen bei den Parlamentswahlen nicht zur Wahl gingen und zweitens, dass Marine Le Pen und ihr ultrarechtes, xenophobes Rassemblement National (RN) ihre Sitze vervierzehnfachen konnten. Denn Macrons Partei rief nicht vehement dazu auf, wegen des Mehrheitswahlrechts in manchen Wahlkreisen am Ende notfalls für das linke Bündnis NUPES oder die Konservativen zu stimmen, um das RN zu verhindern. Diese Hybris hat sich knallhart gegen sie gewendet.
Es geschieht besonders Macron recht. Jetzt müssen der Präsident und seine von ihm eingesetzte Premierministerin Élisabeth Borne beweisen, dass sie es ernst meinen mit der Macron’schen „Wiederbegründung“ demokratischer Werte. Es ist nämlich kein Wiedererstarken von Kompromiss und Diskussion in der französischen Politik zu erkennen. Koalitionen sind dort fast unbekannt, bis jetzt. Das muss man wissen, und nicht durch die große, vergleichsweise gemütliche deutsche Koalitionsbrille befremdet ins Nachbarland schauen.
Macron muss jetzt seinen politischen Hintern hochkriegen, will er ein glaubhafter Verfechter europäischer Demokratie sein, denn deren Anführer will er ja sein. Leider sieht es jetzt schon danach aus, dass er die Verantwortung nicht übernimmt, sondern möglicherweise innerhalb eines Jahres zu neuen Parlamentswahlen aufruft. Borne klang da schon kompromissbereiter und will nach einer Koalition suchen. Aber ob Macron sie überhaupt halten kann, ist ungewiss angesichts der Sitzverteilung im neuen Parlament.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung