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Wahlchaos in BerlinFehlermeldung: Wahl gefährdet

Der vorgesehene Termin für die Berliner Abgeordnetenhauswahl könnte an Softwareproblemen scheitern, fürchtet die Landeswahlleiterin.

Wann es in Berlin wieder zu Wahlen kommt, ist aktuell unsicher. Foto: DPA

Nicht nur der Terminstau bei den Berliner Bürgerämtern führt zu Problemen bei den bevorstehenden Berliner Wahlen (taz berichtete). Am Wochenende wurde ein Brief von Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach an die Innenverwaltung und die bezirklichen Wahlämter und WahlleiterInnen bekannt, in dem diese in Frage stellt, ob die für den 18. September vorgesehenen Wahlen des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen zu diesem Termin überhaupt stattfinden können.

Die bei den Wahlen verwendete Software weise „so gravierende Probleme und Mängel“ auf, dass dadurch die „ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen gefährdet sei“, so die Landeswahlleiterin in dem Schreiben, das auch an die zwei Innenstaatssekretäre Bernd Krömer und Andreas Statzkowski ging.

Der Mail zufolge handelt es sich um das Softwaresystem, das zum Erstellen der Wahlscheine verwendet wird. Dies brauche zu lange bei der Ausstellung der Wahlscheine, zudem würden auf jenen teils falsche Wahllokale angegeben, auch sei der „Massendruck von Wahlscheinen“ mit dem System „bisher gar nicht getestet“ worden, so Michaelis-Merzbach.

Einen bereits existierenden Zeit- und Maßnahmenplan zur Fehlerbehebung, den das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten LABO am 6. Juni vorgelegt hat, hält die Landeswahlleiterin für „zu spät angesetzt“, um bis zum Wahltermin alle Fehler beheben zu können. Sie fordert deshalb „eindringlich“, „entsprechende Schritte“ umgehend einzuleiten und die Herstellerfirma HSH des Wahlsoftwaresystems einzubeziehen.

Zuvor hatte es bereits Beschwerden gegeben, dass Berlins Bürgerämter nicht in der Lage seien, NeuberlinerInnen ausreichend frühe Termine zur Anmeldung zu geben, damit diese an den Wahlen teilnehmen können. Wer mitwählen will braucht spätestens zum 18. Juni eine offizielle Adresse in Berlin. Nach aktuellen taz-Recherchen sind entsprechende Termine bei den Bürgerämtern jedoch bis Anfang August ausgebucht.

Die neue Kritik von der Landeswahlleiterin selbst, deren Aufgabe die Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahlen ist, weist die Senatsverwaltung für Inneres zurück. „Die genannten Punkte sind bekannt. Wir nehmen sie sehr ernst und arbeiten an der Lösung der Probleme“, so ein Sprecher der Verwaltung am Freitag. Die Wahl sei jedoch „nicht gefährdet“.

Für die Grünen belegen die von Michaelis-Merzbach geschilderten Probleme dennoch den „Dilettantismus“ der rot-schwarzen Landesregierung. „Sollte es wirklich soweit kommen, dass in Berlin erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg keine freien und geheimen Wahlen stattfinden können, haben SPD und CDU jede Legitimation verloren, unsere Stadt zu regieren“, sagte Grünen-Landesvorsitzender Daniel Wesener am Samstag.

„Henkel soll aufwachen“

Aber nicht nur die Opposition nutzt das drohende Wahldebakel zur Kritik. Auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh erhebt schwere Vorwürfe gegen den verantwortlichen Innensenator Frank Henkel (CDU) und seine Behörde. Die wolle „nicht nur die unbefriedigenden Zustände in den Bürgerämtern, sondern offenbar auch die gravierenden Probleme bei der von ihr veranlassten und verantworteten Umstellung der Wahlabläufe aussitzen“, so Saleh.

Die Probleme in den Bürgerämtern seien „bereits seit 2012“ bekannt, das Abgeordnetenhaus habe Ende 2015 einen Maßnahmenkatalog beschlossen und zusätzliches Personal bewilligt, doch „die Senatsverwaltung für Inneres verschläft dieses so wichtige Thema“, so Saleh. Henkel solle „aufwachen“, damit von der Regierungsbeteiligung der CDU nicht nur der „Bello-Dialog“ und „das Versagen beim Lageso“ übrig blieben.

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