piwik no script img

Wahl in Senegal abgesagtMacky Salls Foulspiel

Die Wahl vom 25. Februar wurde verschoben. Auf den Straßen von Dakar überwiegt Unverständnis, die Opposition ruft zu Protesten auf.

Alles Mist: Aus dem Afrika-Cup ist Titelverteidiger Senegal auch schon ausgeschieden. Hier Zuschauer beim verlorenen Achtelfinale Foto: Cem Ozdel / Anadolu via AFP

Dakar taz | Es hatte sich schon angedeutet, als in Senegals Parlament Mitte vergangener Woche über die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 25. Februar debattiert wurde. Dass es nun tatsächlich so kommt, ist trotzdem überraschend. Am frühen Samstagnachmittag kündigte Präsident Macky Sall an, die Präsidentschaftswahl auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Zudem solle ein nationaler Dialog stattfinden, um sicherzustellen, dass die Wahl frei, fair und transparent sei.

Kurz nach der Wahlabsage – mit der Macky Sall, der nach zwei gewählten Amtszeiten nicht erneut kandidieren darf, seine Regierungszeit verlängert –, sind in Dakar mehr Sicherheitskräfte als gewöhnlich unterwegs. Sie stehen vor allem an Kreuzungen und Überführungen.

Die Sorge, dass es zu spontanen Protesten kommt, besteht. Botschaften warnen vor größeren Menschenansammlungen und empfehlen, zu Hause zu bleiben. Doch bis Sonntagmittag bleibt es in Senegals Hauptstadt ruhig. Denn es gibt vor allem Unverständnis über die Entscheidung. Ein Taxifahrer sagt knapp: „Das ist nicht gut. Wir wollen doch wählen.“

Es handele sich um einen institutionellen Staatsstreich

Felix Atchadé, politischer Beobachter

Félix Atchadé, politischer Beobachter, sagt über die Verschiebung der Wahl: „In der Geschichte Senegals ist das zum ersten Mal passiert.“ Es handele sich um einen „institutionellen Staatsstreich“ und einen „nicht-verfassungsgemäßen Weg, der keine großen Unterschiede zu dem hat, was die Militärs in Mali, Niger und Burkina Faso gemacht haben“, fügt er hinzu.

„Wir wollen wählen“

„Die Senegalesen haben in der vergangenen Nacht kein Auge zugemacht“, ist sich der Lehrer Pape Kalidou Thiam sicher. Er ist in der Stadt Tambacounda rund 400 Kilometer südöstlich von Dakar und engagiert sich in der Bewegung Young African Activists. In Tambacounda sei es bisher ruhig, berichtet er. „Wir wollen unsere Zukunft in der Wahlkabine regeln, aber nicht auf der Straße. Wir haben eine große Tradition, wählen zu gehen.“

Als Grund für die Verschiebung gelten Streitigkeiten im Wahlprozess. Auf den Stimmzetteln hätten am 25. Februar zwar 20 Namen gestanden, so viele wie nie zuvor. Doch zwei der wichtigsten Politiker des Landes sind nicht dabei: der populäre Oppositionsführer Ousmane Sonko, der im Gefängnis sitzt, und Karim Wade, Sohn von Macky Salls Amtsvorgänger Abdoulaye Wade.

Karim Wade wurde ausgeschlossen, weil er neben der senegalesischen auch die französische Staatsangehörigkeit besitzt. Seine Partei PSD (Demokratische Partei Senegals), hatte daraufhin eine Verschiebung beantragt. Auch warf sie Mitgliedern des Verfassungsrates Befangenheit vor. Mitte der Woche hatte das Parlament einer Untersuchungskommission zugestimmt, wofür auch Abgeordnete aus dem Präsidentenlager stimmten.

Stabile Demokratie, eigentlich

Senegal gilt als stabile Demokratie innerhalb der Region, die in den vergangenen Jahren mehrere Militärputsche erlebt hat – in Senegals Nachbarländern Mali und Guinea, außerdem in Burkina Faso und Niger. Das Vertrauen in Institutionen ist groß. Umso schwerer wiegt, was nun geschehen ist. In den vergangenen Jahren hat die Kritik an Macky Sall spürbar zugenommen. Lange wurde spekuliert, ob er möglicherweise eine verfassungswidrige dritte Amtszeit anstrebt. Dass er sich lange nicht dazu äußerte, verstärkte die Befürchtungen. Er verzichtete dann doch, aber das entspannte die Lage nicht.

Mit regierungsfeindlichen Demonstrationen in den Jahren 2021 und 2023 war stets ein Name verbunden: Ousmane Sonko. Der Führer der Partei Pastef (Afrikanische Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit) wurde er bei der Präsidentschaftswahl 2019 Dritter und gilt unter jungen Se­ne­ga­le­s:in­nen als politischer Hoffnungsträger, der eine scharfe antifranzösische Rhetorik hat und beispielsweise die an den Euro gekoppelte Währung CFA kritisiert.

Im Juni 2023 starben mindestens 16, anderen Schätzungen zufolge über 23 Personen bei Protesten, weil Sonko in einem Vergewaltigungsprozess zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe wegen „Verführung der Jugend“ verurteilt worden war. Seine Kandidatur 2024 wurde deshalb nicht zugelassen und Pastef verboten. Nun stellt sich Sonko demonstrativ hinter Bassirou Diomaye Faye. Der sitzt ebenfalls in Haft, ist aber noch nicht verurteilt und darf daher auf den Stimmzetteln stehen.

In der Opposition wird spekuliert, dass die Aussicht auf einen möglichen Wahlsieg von Bassirou Diomaye Faye hinter der Wahlabsage steht. Auch gilt Amadou Ba, Kandidat des Regierungslagers, als eher blass und für Macky Sall als weniger zuverlässig als erwartet. Sicher ist all das aber nicht.

Das gilt auch dafür, was ab dem 2. April passiert, dem Tag der geplanten Amtsübergabe an einen neuen Präsidenten, wenn Macky Salls reguläre Amtszeit endet. Das wird jetzt so nicht stattfinden. Cheikh Tidiane Dièye, ein weiterer Präsidentschaftskandidat, betonte aber am Samstagabend, Sall sei ab diesem Datum nicht mehr Präsident der Republik.

Am Sonntagmorgen kündigten Teile der Opposition an, die Wahlabsage nicht anzuerkennen und jetzt wie geplant mit dem Wahlkampf zu beginnen. Damit verbunden sind mögliche Proteste.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare