Wahl in Monaco: Sieger ist die Angst vor der EU

Eine oppositionelle Liste wird mit Abstand die stärkste Partei im neuen Parlament. Die Wähler fürchten um die Souveränität ihres kleinen Staates.

Blick auf Monte Carlo, den größten der neun Verwaltungsbezirke in Monaco

Blick auf Monte Carlo, den größten der neun Verwaltungsbezirke in Monaco Foto: imago/mandoga

PARIS taz | Im Fürstentum Monaco hat die oppositionelle Liste Primo – Priorité Monaco bei den Wahlen am Sonntag 20 von 24 Sitzen im Parlament und damit einen klaren Sieg über zwei andere Listen errungen. Die Lokalpolitik im zweitkleinsten Staat der Welt macht selten Schlagzeilen. Doch in diesem Fall ist der Wahlausgang bezeichnend, weil das Verhältnis zur EU Hauptthema der Kampagne war.

Der Sieg von Primo erklärt sich nicht allein mit einer latenten Angst der MonegassInnen vor der EU, sondern auch mit dem Wahlsystem. Dieses gewährt den Gewinnern eine absolute Mehrheit mit 16 Sitzen und verteilt die restlichen acht nach Stimmenverhältnis, was für die Opposition nur wenige Mandate bedeutet.

Das Fürstentum verhandelt derzeit über einen Assoziierungsvertrag mit der EU. Zuvor hatte Monaco Dutzende von bilateralen Vereinbarungen, vor allem im Bereich der Steuerhoheit, mit Frankreich und Italien abgeschlossen. Jetzt aber ist die EU für diese Fragen zuständig. Nach einer jahrhundertealten Unabhängigkeit fürchtet die monegassische Bevölkerung um die Souveränität, und mehr noch um einen „way of life“, der das Besondere für betuchte Zuwanderer aus aller Welt erklärt.

Im Zentrum der Debatte stehen die „vier Grundfreiheiten“ der EU. Kein Problem hätten die Untertanen ihrer Durchlaucht Fürst Albert II. mit dem freien Waren- und Kapitalfluss. Ein Hindernis bei der Einigung mit den EU-Vertretern stellen der freie Personenverkehr und die Öffnung bestimmter, bislang nur für Einheimische zugänglicher Berufe dar.

Es geht ums Überleben

Während die Kandidaten der Union monégasque oder der Liste Horizon Monaco im Extremfall einen Beobachter für das Parlament bei den Unterredungen zwischen den Delegierten des Fürsten und der EU forderte, machte Primo aus der Einreisekontrolle und der „nationalen Bevorzugung“ Grundsatzfragen, die in Brüssel auszuklammern wären.

Für den Primo-Kandidaten Thomas Brezzo geht es ums Überleben: „Wenn die Grundfreiheiten angewendet werden, wenn 500 Europäer auf unserem Territorium von zwei Quadratkilometern dieselben Rechte erhalten wie 9.000 Monegassen, existieren wir nicht mehr.“

Die Drohung wirkte. Bereits jetzt fühlen sich die Monegassen umzingelt. Sie stellen im „eigenen“ Land nur eine Minderheit von weniger als einem Viertel der knapp 40.000 Bewohner. Sogar Franzosen sind zahlreicher.

Dieses Verhältnis sehe anders aus, wenn die monegassische Staatsbürgerschaft nicht bloß tröpfchenweise und nur für außerordentliche Verdienste um das Fürstentum vergeben würde. Jeden Tag kommen zudem Tausende Grenzgänger aus Frankreich und Italien, ohne die in Monaco nichts funktionierte.

Kuriose Besonderheiten

Das gehört wohl zu den zum teil kurios anmutenden Besonderheiten, welche die BürgerInnen auf dem felsigen Landzipfel am Mittelmeer gegen ein Diktat aus Brüssel verteidigen wollen. Das letzte Wort hat dort wie in allen Fragen der Fürst. Er ernennt auch die fünf Mitglieder des Hofrats – der Regierung, an deren Spitze traditionsgemäß ein französischer Spitzenbeamter steht.

Diese Regierung ist nur ihm gegenüber verantwortlich. Albert II. lässt sich weder in die Karten schauen, noch herein reden. Vor den Wahlen hat er zu den EU-Ängsten nicht festgelegt. „Das Fürstentum hat stets mit einer gewissen Öffnung überlebt“, sagte er. In Sachen EU müssen wir vorsichtig sein, aber die Vorsicht darf nicht übertrieben werden.“

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