Wahl in Madagaskar: Putschisten-Kandidat wird Präsident
Der bisherige Finanzminister Hery Rajaonarimampianina hat die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Er muss nun die dramatisch steigende Armut bekämpfen.
BERLIN taz | Eines der ärmsten Länder der Welt ist Madagaskar bereits, jetzt bekommt es auch noch den Präsidenten mit dem längsten Namen der Welt. Wie am Freitag offiziell verkündet werden soll, heißt der Sieger der Präsidentschaftswahl vom 20. Dezember Hery Rajaonarimampianina. Er hat den vorliegenden Ergebnissen zufolge 53,5 Prozent gewonnen. Sein Gegner in der Stichwahl, Robinson Jean-Louis, kommt auf 46,5 Prozent.
Sogar in Madagaskar wird der neue Staatschef meist mit seinem Vornamen „Hery“ ausgesprochen. Doch so groß die Probleme sind, vor die sein Wahlsieg jeden zukünftigen Gastgeber bei Staatsbesuchen aus Madagaskar stellen wird, so groß sind die Hoffungen, die Madagaskar selbst in diese Wahlen setzt.
Der Inselstaat im Indischen Ozean war international isoliert und vom Großteil der auswärtigen Finanzhilfen abgeschnitten, seit im März 2009 Soldaten den freigewählten Präsidenten Marc Ravalomanana stürzten und den nur 24 Jahre alten Bürgermeister der Hauptstadt, Andry Rajoelina, als neuen Staatschef und auch als ihre Marionette einsetzten. Nur erneute freie Wahlen, so danach die konsistente Haltung der Staatengemeinschaft, würden Madagaskars Pariastatus als Putschistenstaat beenden.
Die bei Putschisten übliche Methode der Selbstreinigung, bei der man sich einfach bei Wahlen aufstellt und gewinnt, war Rajoelina versperrt – nicht nur, weil er dann auch seinen Vorgänger Ravalomanana aus dem südafrikanischen Exil hätte zurückholen und kandidieren lassen müssen, sondern auch, weil er zu jung war. Unzählige Krisengipfel später war geklärt: Es gibt Wahlen – aber weder Rajoelina noch Ravalomanana treten an.
Auch der langjährige Militärdiktator Didier Ratsiraka, der 2002 monatelang seine Wahlniederlage gegen den damaligen Wahlsieger Ravalomanana nicht anerkannt hatte und 2009 den Putsch unterstützte, wurde von einer Kandidatur ausgeschlossen. Ebenso Ravalomananas Ehefrau, die dieser statt seiner hatte aufstellen wollen.
Wettkampf zwischen B-Teams
Dank des Ausschlusses aller mächtigen Politiker Madagaskars war diese Wahl, die in zwei Runden am 25. Oktober und 20. Dezember stattfand, nun aber von vornherein ein Wettkampf zwischen B-Teams. Die beiden Kandidaten in der Stichwahl, Robinson und Hery, gelten jeweils als Zöglinge Ravalomananas und Rajoelinas.
Robinson Jean-Louis, bis 2009 Gesundheitsminister und als Politiker eher blass, wollte im Falle seines Wahlsieges Frau Ravalomanana zur Premierministerin machen. Hery Rajaonarimampianina war nach 2009 ein weithin geschätzter Finanzminister und gilt als dafür verantwortlich, dass Madagaskar nach dem Ausbleiben der Hilfsgelder nicht vollends pleiteging. Er erhielt im Wahlkampf sehr sichtbare Unterstützung aus dem Staatsapparat.
Die Machtübergabe von Rajoelina an seinen Freund Rajaonarimampianina dürfte also, anders als bisher in Madagaskar üblich, unblutig ablaufen. Bewährungsprobe für den neuen Präsidenten wird sein, ob er es schafft, Geber und Investoren zurückzuholen.
Der Anteil der 23 Millionen Madegassen in absoluter Armut ist seit dem Putsch nach Angaben der Weltbank von 77 auf 92 Prozent gestiegen. Die Unterernährung grassiert, und während des Wahlkampfes forderte eine Pestepidemie mindestens 39 Tote.
Seit in den letzten Jahren gigantische Öl- und Gasvorkommen im Indischen Ozean gefunden worden sind, vor allem vor Mosambik und Tansania, gilt Madagaskar als potenzieller Ölstaat. Das Land hat aber auch große Mineralienvorkommen und kostbare Tropenhölzer, die hemmungslos geplündert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?