piwik no script img

Wahl in IsraelNetanjahu-Block verfehlt Mehrheit

Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen zeichnet sich ein Patt ab. Eine arabische Partei könnte Zünglein an der Waage sein und Netanjahu retten.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei der Stimmabgabe am Dienstag in Jerusalem Foto: Ronen Zvulun/ap/dpa

Tel Aviv taz | Siegesstimmung bleibt auch diesmal aus. Nach der vierten Parlamentswahl in nur zwei Jahren scheint Israel wieder in einer Sackgasse zu stecken. Zwar wurde die Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit 30 oder 31 Parlamentssitzen erneut stärkste Kraft, doch nach Auszählung von rund 90 Prozent der Stimmen am Mittwochnachmittag ist es weder seinem ultrarechts-religiösen Block noch dem Anti-Netanjahu-Lager gelungen, die erforderlichen 61 Sitze im Parlament zu sichern.

Zwar warten noch 450.000 Stimmen auf ihre Auszählung, doch war am Mittwoch mit großen Veränderungen nicht mehr zu rechnen. Das endgültige Ergebnis wird für Freitag erwartet.

Netanjahu hatte bereits am Abend nach der Wahl am Dienstag von „großen Errungenschaften“ gesprochen und vor einer fünften Wahl gewarnt. Er rief zur Bildung einer „stabilen Regierung“ auf.

Königsmacher könnte dieses Mal Mansour Abbas werden, dem mit seiner konservativ-islamischen Partei Ra’am der Sprung über die 3,25-Prozent-Hürde gelungen ist. Er sei nicht an einen Block oder eine Person gebunden, wiederholte er am Mittwoch, nachdem er im Vorfeld betont hatte, dass er mit denjenigen zusammenarbeiten werde, die ihm das beste Angebot machen.

Mit Ra’ams 5 Sitzen könnte Netanjahu nach bisherigem Stand eine Mehrheit bilden. Mit in einer solchen Koalition säße allerdings auch das offen rassistische und anti-arabische Parteienbündnis Religiöser Zionismus. Wie diese denkwürdige Zusammenarbeit aussehen soll und ob Ra’am tatsächlich mit in der Koalition sitzen oder einer rechten Minderheitsregierung lediglich durch Enthaltungen in Parlamentsabstimmungen die Mehrheit sichern würde, ist offen.

Auch die Partei Jamina unter Naftali Bennett müsste sich dem Regierungslager anschließen. Bennett hat sich bislang noch nicht festgelegt.

Eine Mehrheit für ein lagerübergreifendes Anti-Netanjahu-Bündnis von links nach rechts ist ebenfalls noch denkbar – vorausgesetzt, dass sich Ra’am und Jamina auf die Seite der Netanjahu-Gegner*innen schlagen.

Die große Frage wäre in diesem Fall: Unter wessen Führung? Zwar stellt Jair Lapids Zukunftspartei nach jetzigem Stand mit 17 Sitzen die zweitgrößte Fraktion. Doch für Bennett, der sich als Ministerpräsident in einer rechten Regierung sieht, käme es einem Gesichtsverlust gleich, in eine Koalition unter dem Mann der Mitte, Jair Lapid, einzusteigen. Deshalb ist auch nicht auszuschließen, dass Bennett, obwohl seiner Partei nach bisherigem Stand nur 7 Sitze zufallen, in solch einer Koalition Regierungschef würde.

Und sollte eine Regierungsbildung nicht klappen, gibt es noch immer eine weitere Option: eine Neuwahl. Zum fünften Mal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich sach's mal so: Nach der Wahl ist vor der Wahl.