Wagner-Gruppe in Afrika: Als „Händler des Todes“ bekannt
Der Waffenhändler Viktor Bout war 15 Jahre in US-Haft. Nun ist er frei. Der Chef der russischen Wagner-Gruppe will ihm den Weg in die Politik ebnen.
Es handelt sich konkret um den russischen Waffenhändler Viktor Bout, der in Afrika als „Händler des Todes“ bekannt ist, nach dem gleichnamigen Spielfilm mit Hollywood-Schauspieler Nicolas Cage, der die Waffengeschäfte von Bout nachzeichnete. Der gelernte Pilot, einst als KGB-Spion in Angola stationiert, lieferte nach dem Zerfall der Sowjetunion Kriegsgerät für fast jeden Bürgerkrieg des Kontinents aus Sowjetbeständen.
Laut taz-Recherchen haben sich in den vergangenen Wochen Wagners Propagandachef Schugalei und Bout mindestens dreimal in Russland getroffen, zuletzt am 11. August in Uljanowsk im Herzen Russlands, wo Bout für einen Sitz im Regionalparlament kandidieren will.
Russlands berühmtester Waffenhändler ist erst seit rund acht Monaten wieder frei. Er wurde im Dezember 2022 durch einen Gefangenenaustausch aus den USA nach Russland überstellt. In den USA war er 2012 unter anderem wegen Terrorismus zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Er war 2008 in Thailand verhaftet worden, als er versuchte, Waffen an kolumbianische Rebellen und Drogenkartelle zu verkaufen.
Wagner-Chef braucht Flieger
Russlands Präsident Wladimir Putin ließ Bout nach seiner Rückgabe direkt laufen, die beiden teilen eine gemeinsame Vergangenheit beim sowjetischen Geheimdienst KGB. Daraufhin trat Bout in Russlands ultranationalistische Liberaldemokratische Partei ein, die Putins Ukrainekrieg lautstark unterstützt, und sie will er nun im Regionalparlament in Uljanowsk vertreten.
In dieser Funktion kann er für Wagner nützlich werden. Denn in der Region Uljanowsk werden seit Sowjetzeiten in der Firma Aviatar Militärgeländewagen vom Typ UAZ sowie Transportflugzeuge wie die Iljushin-76 gebaut, die Wagner-Chef Prigoschin dringend für seine Operationen in Afrika benötigt.
Prigoschin über Bout
Mehrfach hatte dieser sich vor seinem gescheiterten Aufstand im Juni lautstark beschwert, dass Russlands Verteidigungsministerium seinen Kämpfern in der Ukraine nicht die nötige Ausrüstung zukommen lasse. Transportmaschinen, die Kriegsgerät und Truppen durch die Gegend fliegen können, sind da ganz entscheidend.
Seine Piloten konnten mitten im Urwald landen
Bout war in Afrika in erster Linie für seine Transportflugzeuge bekannt. Zu Beginn der Nullerjahre, als zahlreiche Bürgerkriege auf dem Kontinent tobten – in der Demokratischen Republik Kongo, in Sudan, in Liberia, in Sierra Leone –, unterhielt Bout zeitweilig die größte Flugzeugflotte der Welt.
Er lieferte mit seinen Transportmaschinen Sturmgewehre in den Dschungel, lud dort Gold, Diamanten und Mineralien wie Coltan wieder ein. Er flog sogar für die UNO Lebensmittel für Vertriebene in abgelegene Bürgerkriegsregionen oder lieferte den teuren Viktoriabarsch aus Uganda per Luftfracht nach Europa, wie es in dem berühmten Film „Darwins Albtraum“ dokumentiert ist. Seine Piloten waren bekannt dafür, sogar mitten im dichten Urwald auf einem Fußballplatz landen zu können.
Als den „schlauesten und meistgebildeten Menschen“ bezeichnet Progoschin seinen neuen Freund Bout in einer Sprachnachricht auf Telegram nach ihrem „gemeinsamen Besuch in Uljanowsk“ Ende Juni. Fotos dieses Treffens machten in den russischen und afrikanischen Telegram-Kanälen die Runde. Darauf sieht man die beiden Russen vor einem Werbebanner der Stadt Uljanowsk, beide locker gekleidet in Jeans und Hemd. Ohne zu lächeln, gucken sie in die Kamera. Es ist ein Foto, das in Afrika mit großer Besorgnis betrachtet wird.
Treffen beim Russland-Afrika-Gipfel
Denn vieles deutet darauf hin, dass Bouts Erfahrungen mit dem Transport von Militärausrüstung in Afrika nun der Firma Wagner zugutekommen könnte, die ihr Einsatzgebiet auf dem afrikanischen Kontinent erweitern will. Kurz nach dem Putsch im Niger Ende Juli hat Wagner-Chef Prigoschin den Putschisten seine „Unterstützung“ angeboten.
Um für eine Expansion mehr Lufttransportmaschinen zur Verfügung zu haben, soll Bout helfen. Die US-Amerikaner hätten einen „großen Fehler“ begangen, Bout im Austausch an Russland zu übergeben, so Prigoschin, denn: „Diese Person wird eine enorme Leistung für die Zukunft Russlands erbringen.“
Umgekehrt hilft Wagner dem Waffenhändler jetzt beim Wahlkampf in Uljanowsk. Wagners Propagandachef Schugalei soll nun höchstpersönlich Bouts Wahlkampf leiten. Die ersten Ergebnisse wurden bei dem Treffen vergangene Woche in Uljanowks bereits sichtbar: Da sitzen Schugalei und Bout vor einem aufwendig gestalteten gigantischen Werbeplakat.
Höher geschätzt als Diamanten
Die Zusammenarbeit wurde offenbar auf dem Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg Ende Juli vereinbart, wo sowohl Prigoschin als auch Bout anwesend waren. „Auf dem Gipfel traf ich Viktor Bout“, teilte Schugalei damals über seinen Telegram-Kanal mit. „Wir haben auch darüber gesprochen, dass UAZs aus Uljanowsk in Afrika höher geschätzt werden als lokale Diamanten.Gleiches gilt für IL-Flugzeuge – Fracht- und Tankflugzeuge, die bei Aviastar in Uljanowsk produziert werden“, so Schugalei: Besonders gut habe ihm gefallen, dass Viktor Bout einen „sehr klaren Plan“ habe, „wie man das alles in die Tat umsetzt“, erklärte der Chefpropagandist und pries Bout als „sehr sachkundige Person“.
Bout sei ein großer strategischer Gewinn für den Kreml, argumentiert Samuel Ramani, Experte für Russlands Außenpolitik an der Universität von Oxford. Insbesondere in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, wo Bout früher aktiv war und wo jüngst Wagner vergeblich versucht hat, Einfluss zu gewinnen.
Douglas Farah, der ein umfassend recherchiertes Buch über Bout geschrieben hat, argumentiert hingegen: „Er war von allem sehr lange abgeschnitten.“ Seine Beziehungen in Afrika seien in der Vergangenheit sehr persönlich gewesen. Insofern sei es zweifelhaft, dass er diese so einfach nach 15 Jahren in Haft wieder reaktivieren könne. Dass Bout sich nun wieder in Afrika engagiere, sei laut Farah „nicht sehr wahrscheinlich“. Doch andererseits, so der Bout-Experte, „hatte er eine bemerkenswerte Karriere – und nichts davon war wahrscheinlich“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier