Waffenlieferungen in den Irak: Wenn der Zweck die Mittel heiligt
Die Bundesregierung will Waffen in Bürgerkriegsgebiete liefern. Dazu muss sie Rüstungsexport-Grundsätze sehr kreativ auslegen.
FREIBURG taz | Versucht die Bundesregierung, ihre eigenen Richtlinien für Rüstungsexporte zu umgehen, indem sie den Kurden im Irak ausschließlich Waffen aus Bundeswehrbeständen zur Verfügung stellt? Diesen Verdacht nährten Äußerungen des Verteidigungsministeriums in der Regierungspressekonferenz am Mittwoch. „Wenn nicht verkauft wird, wenn sozusagen eine Länderabgabe stattfindet, ist das eine andere Kategorie“, so ein Ministeriumssprecher.
Grundsätzlich gilt: Wenn private Unternehmen Rüstungsgüter exportieren, benötigen sie eine Regierungsgenehmigung. Das sieht das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWGK) vor. So soll verhindert werden, dass deutsche Waffen aus bloßem Gewinnstreben in Konfliktgebiete geliefert werden. Nach welchen Kriterien Exporte genehmigt werden, hat Berlin im Jahr 2000 in relativ strengen „politischen Grundsätzen“ festgehalten.
Doch für Lieferungen der Bundeswehr gilt diese Genehmigungspflicht nicht. Da hat das Verteidigungsministerium recht. Allerdings ist auch bei Kriegswaffen eine zweite Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erforderlich.
Diese sonst bedeutungslose Formalie führt nun dazu, dass die Rüstungsexportrichtlinien auch bei Bundeswehr-Exporten anwendbar sind. Sonstige Rüstungsgüter wie Nachtsichtgeräte und Schutzwesten werden ohnehin nur nach AWG genehmigt.
Selbstverteidigung und eigene Interessen
Die Bundesregierung will sich also nicht vor ihren eigenen Grundsätzen drücken. Sie muss sie aber sehr kreativ auslegen. Denn eigentlich sind Waffenlieferungen in Bürgerkriegsgebiete nicht genehmigungsfähig. In Staaten, die nicht der EU, der Nato oder der OECD angehören, dürfen Kriegswaffen nur exportiert werden, wenn außen- und sicherheitspolitische Interessen Deutschlands dafür sprechen.
Doch auch dann soll eine Genehmigung ausgeschlossen sein, wenn die innere Lage des Landes dem entgegensteht. Als Beispiel werden ausdrücklich „bewaffnete interne Auseinandersetzungen“ genannt. An anderer Stelle heißt es, dass die Lieferung von Kriegswaffen nicht genehmigt wird, wenn das Zielland „in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt“ ist, es sei denn, es handelt sich um einen Fall der Selbstverteidigung.
Die Regierung ist nun offensichtlich der Meinung, dass die „innere Lage“ des Iraks trotz der Kämpfe einer Waffenlieferung nicht entgegensteht. Man will einen „kriegerischen grenzüberschreitenden Flächenbrand im ganzen Mittleren Osten“ verhindern, so Regierungssprecher Steffen Seibert. Der Zweck heiligt also die Mittel. Die Rüstungsexport-Richtlinien sind ohnehin nicht einklagbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken