Waffengewalt in Washington DC: Todesschuss in Georgetown
Die Mordrate in der US-Hauptstadt steigt. Bislang wurde das hingenommen. Doch jetzt fliegen auch in den Nobelvierteln die Kugeln.
E ine tödliche Schießerei in der US-Hauptstadt Washington, ausgerechnet in einem der reichsten Stadtbezirke, führt zu neuen Debatten über die steigende Kriminalitäts- und Mordrate in den US-amerikanischen Großstädten.
Die Tat ereignete sich am vergangenen Montag während des Feierabendverkehrs im Stadtteil Georgetown. Das Opfer war der 27-jährige Tarek Boothe. Der angehende Koch wurde nach einer Auseinandersetzung um kurz nach 18 Uhr Ortszeit auf offener Straße erschossen. Die genauen Umstände der Tat werden aktuell noch von der Polizei untersucht. Diese geht allerdings von einem gezielten Angriff aus. Der mutmaßliche Todesschütze ist derweil weiterhin auf freiem Fuß.
Was in Berlin der Kurfürstendamm, in Düsseldorf die Königsallee und in New York die Fifth Avenue ist, das ist in Washington die M Street in Georgetown. Es reihen sich dort trendige Bars, hochkarätige Restaurants und Designerläden – und das Studio der ARD – aneinander. Nur unweit davon entfernt befindet sich zudem die Georgetown University, eine der besten Hochschulen im gesamten Land. Dass es ausgerechnet hier, an der Kreuzung M Street und 33rd Street, zu einer tödlichen Schießerei kam, sorgte für großes Aufsehen.
In dem Nobelstadtteil, wo der durchschnittliche Immobilienverkaufspreis 1,4 Millionen Dollar beträgt, kommt es nämlich nur selten zu Gewalttaten. Laut Washington Post ereignete sich die letzte tödliche Schießerei in Georgetown in einem Reihenhaus im Februar 2021. „Es ist ein trauriges Zeichen unserer Zeit“, sagte Lisa Palmer, die nur zehn Minuten vor der Tat mit ihrem Wagen auf der M Street unterwegs war, um ihre Tochter abzuholen.
14 Morde seit Jahresbeginn
„Meine Mitbewohner und ich versteckten uns im Keller und verriegelten alle Türen. Wir wussten ja nicht, ob es sich um einen Amoklauf handelte“, sagte Georgetown-Studentin Emily Green gegenüber dem lokalen TV-Sender WUSA9.
Die Worte eines weiteren Kommilitonen verdeutlichen, dass für manche US-Bürger*innen Gewalttaten leider zum Alltag gehören. „Welches Kind hatte in der Schule nicht ständig Lockdown- und Amoklauf-Übungen“, fragte der Student Mark Haggard. „Ein Teil von mir sagt sich, ‚Ja, so sieht es aus, wenn man etwas lernen will‘. Es ist eine echte Gefahr. Es ist scheiße, aber es nicht neu oder überraschend.“
Seit Jahresbeginn hat Washington 14 Morde zu verzeichnen. Das sind zwar drei weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, doch insgesamt sind die Gewalttaten um 22 Prozent angestiegen. Auch die Mordrate in der US-Hauptstadt ist während der letzten vier Jahre jeweils stetig angestiegen. Im vergangenen Jahr kam es in Washington zum ersten Mal seit 2003 zu mehr als 200 Tötungsdelikten.
Wie akut das Kriminalitätsproblem aktuell ist, zeigt sich auch daran, dass nur sechs Minuten nach dem Mord in Georgetown in einem anderen Stadtteil zwei weitere Personen durch Schüsse verletzt wurden. „Ich bin entsetzt und besorgt. Diese schamlose Waffengewalt darf nicht geduldet werden. Wir müssen mehr tun, um alle Einwohner zu schützen“, schrieb Stadträtin Brooke Pinto auf Twitter.
Von guten und schlechten Vierteln
Die Frage ist, was genau kann dagegen unternommen werden? Erst 2020 stimmte der Stadtrat für eine Kürzung des Polizeihaushaltes um 15 Millionen Dollar. Das Resultat war ein Einstellungsstopp, der dazu führte, dass aktuell 200 Polizeibeamte fehlen – und das bei steigenden Mordzahlen.
Am Beispiel von Georgetown wird zudem deutlich, dass Mord nicht überall Mord ist. Der Tod von Tarek Boothe machte vor allem deshalb Schlagzeilen, da er sich in einem Stadtteil ereignet hatte, in dem fast nur gut betuchte Menschen leben. Die vielen anderen Morde in den Stadtvierteln im Osten Washingtons, in denen die Mehrzahl der Menschen arm und schwarz ist, erhalten nur selten eine solche mediale Aufmerksamkeit.
„Diese Schießerei mit Todesfolge wird sehr viel Aufmerksamkeit erregen, da es in Georgetown geschah. Ich lebe im Nordosten von Washington, wo Schießereien und Todesfälle viel häufiger vorkommen, die allerdings kaum Beachtung finden. Doch diese Leben, dia dabei ausgelöscht werden, bedeuten genauso viel“, schrieb Alexandria R auf Twitter.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten