Waffenbilder auf Instagram-Account: Tatrelevante Fotos
Ein User dokumentiert auf der Newsseite „reddit“ einen Fund, der in Verbindung mit der Gewalttat von München steht. Was danach geschah.
Er habe auf dem Instagram-Profil „tatrelevante“ Fotos entdeckt: „Unter anderem hat er Bomben gebastelt und auch ein Foto von seiner Glock in einem Wald gepostet“, schrieb er – und dachte, es handele sich dabei um den Amokläufer von München, der nahe eines Einkaufszentrums neun Menschen und danach sich selbst erschoss.
Später korrigierte er sich: „Das muss jemand anders sein, aber er ist ein Deutscher. Langsam bekomme ich Schiss. Seine Freunde haben alle Instagram-Profile mit x Bildern zu Amokläufern, besonders Columbine“. Außerdem stünden auf dem Account Sätze wie: „Die Gesellschaft bemerkt nicht, dass ich ein Psychopath bin“, und auf dem Profil seien Videos von selbstgebauten Bomben, Rohrbomben und Waffen zu sehen gewesen.
In höchste Alarmbereitschaft versetzt, meldete sich der Berliner nach eigenen Angaben bei der Polizei. Im weiteren Gesprächsverlauf auf reddit schildert er detailliert, was sich danach aus seiner Sicht abspielte: Die lokale Dienststelle habe keine Möglichkeit gehabt, auf Instagram zuzugreifen und wollte das LKA zu dem Mann nach Hause schicken.
Polizei wirkt zunächst überfordert
Letztlich seien Beamte der Kriminalpolizei bei ihm zuhause erschienen, aber sie schienen überfordert mit der Lage: „Der Obertyp von denen meinte direkt, er muss telefonieren und ist raus gegangen, währenddessen wurde klar, dass die beiden anderen absolut keine Ahnung von Internet oder Computer haben. Waren aber sichtlich schockiert über die Bilder“, schreibt der User auf reddit.
Die Beamten hätten die Wohnung des Berliners unverrichteter Dinge verlassen, mit der Bitte um Kontaktdaten und dem Hinweis, am nächsten Tag würde das LKA oder der Staatsschutz vorbei kommen. Diese Angaben bestätigt das LKA gegenüber der taz.
„Ein Berliner rief am 25. Juli 2016 über den Notruf 110 bei der Polizei Berlin an und sagte, er könne Angaben zu dem Attentäter von München machen. Unmittelbar nach dem Notruf wurde der Anrufer in seiner Wohnung von Beamten aufgesucht und befragt. Die weiteren Ermittlungen hat dann die 7. Mordkommission des Landeskriminalamtes übernommen“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
„baudusau“ schildert auf reddit, dass er weiterüber den potenziellen Amokläufer recherchierte. Über dessen Steam-Profile (Profile zur Vernetzung auf Computerspiel-Plattformen) sei er auf weitere Informationen gestoßen, wie beispielsweise die Tatsache, dass der potentielle Attentäter sich hier mit anderen Usern über Amok-Taten ausgetauscht hatte – unter anderem auch mit dem Münchener Attentäter.
Die Diskussionen auf reddit setzte sich lebhaft fort: Neben Spekulationen über das Verhalten von Polizei und LKA wurde „baudusau“ unter anderem auch geraten, sich an die Presse zu wenden, was dieser allerdings – zumindest vorläufig – ablehnte. Mehrere Anfragen der taz ließ er unbeantwortet. Auch am darauf folgenden Tag kommentierten die User auf reddit weiter – von „baudusau“ jedoch war lange Zeit kein Wort zu lesen.
Vom LKA vernommen
Erst am späten Abend meldete er sich mit einem Post zurück: „Ich kann leider nicht allzu viel sagen, aber ich wurde gerade fünf Stunden vom LKA Berlin vernommen und es wurde nach jetzigem Stand ein Amoklauf verhindert. Es gibt sehr viele Anfragen von der Presse und ich muss jetzt erstmal meine weiteren Schritte überdenken. Ich hoffe, ihr versteht das.“
Das LKA bestätigt in einer Email: „Zu diesen Ermittlungen gehörte auch die schriftliche Vernehmung des Zeugen am Vormittag des 26. Juli 2016 in den Räumen der Mordkommission.“ Weitere Angaben möchte das LKA nicht machen, „da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren in Baden-Württemberg handelt. Ich bitte um Ihr Verständnis.“
Am Abend des nächsten Tages dann die Nachricht: In Ludwigsburg sei ein 15-Jähriger festgenommen worden, der mit dem Münchener Amokläufer in Kontakt gestanden habe. Außerdem seien in seinem Zimmer Waffen, Chemikalien, sowie Fluchtpläne seiner Schule gefunden worden. Auf die Spur des Jugendlichen sei die Polizei durch den Hinweis eines Berliners gekommen, der auf eigene Faust begonnen hatte, im Netz zu recherchieren.
Jetzt stand also fest: Der Berliner hat durch seine eigenen Recherchen womöglich einen weiteren Amoklauf verhindern können. Der 15-Jährige selbst allerdings habe im Verlauf seiner Vernehmung betont, er hätte sich aufgrund schulischer und persönlicher Probleme zwar mit einer Amoktat auseinandergesetzt, sich inzwischen aber davon distanziert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!