Waffen in Deutschland: Texas an der Isar
In keinem Bundesland gibt es mehr Waffenbesitzer als in Bayern. Im Jahr 2016 stieg die Zahl der Schusswaffen auf über eine Million.
„Eine erschreckende Entwicklung“, sagt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der bayerischen Grünen. Sie hatte die Daten angefragt. 2015 hatten lediglich 5.748 Personen einen kleinen Waffenschein besessen.
Bayern kommt eine nationale Sonderrolle zu. In keinem anderen Bundesland gibt es so viele private Waffenbesitzer wie im Freistaat. Aktuell zählt das Nationale Waffenregister bundesweit 5,83 Millionen legale Waffen und 1 Million WaffenbesitzerInnen. Während nach Angaben der Länder 2015 in Bremen, Hamburg und Berlin die wenigstens Eigentümer von Waffen gemeldet waren (zwischen 2.200 und 9.200), waren in Bayern über 200.000 offizielle Waffenbesitzer gemeldet. Nordrhein-Westfalen (173.000) und Niedersachsen (129.000) liegen dahinter auf Platz zwei und drei.
Im südlichsten Bundesland stieg die Zahl der erlaubnispflichtigen Schusswaffen im letzten Jahr um 2,8 Prozent auf den Höchststand von 1.163.544. Dafür stellten Waffenbehörden 16,6 Prozent mehr Waffenbesitzkarten aus als noch 2015. Eine solche Karte berechtigt den Inhaber, Waffen zu besitzen, aber nicht zu tragen. Erst mit Waffenschein können erlaubnispflichtige Schusswaffen in der Öffentlichkeit geführt werden. 76 bayerische Privatpersonen erhielten 2016 eine solche Erlaubnis.
Steigende Nachfrage auch auf Bundesebene
Auch auf Bundesebene ist eine steigende Nachfrage zu beobachten. Während das nationale Waffenregister im Juli 2016 noch 412.512 kleine Waffenscheine in ganz Deutschland gezählt hatte, waren es Ende September über 440.185. Das ist ein Zuwachs von über 27.000 Scheinen.
Die bayerischen Grünen behaupten, dass sich der gesteigerte Schusswaffenbesitz in den Opferzahlen niederschlage. Ein unmittelbarer Zusammenhang ist nicht belegt, doch zumindest geht aus dem Bericht hervor, dass im vergangenen Jahr 41 Personen durch erlaubnispflichtige Schusswaffen zu Schaden kamen und damit mehr als im gesamten Zeitraum zwischen 2011 und 2015 (39 Menschen). „Das Waffenrecht muss auf den Prüfstand“, fordert Schulze.
EU will Verschärfungen
Ihr Landtagskollege, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), sieht das anders. Der Minister, der gerade von Horst Seehofer zum Spitzenkandidaten der Bundestagswahl vorgeschlagen wurde, hatte zuletzt erklärt, dass die Waffengesetze ausreichend seien und nicht nachgebessert werden müssten.
Bald könnte allerdings Bewegung in die deutsche Waffenpolitik kommen. Am 14. März verabschiedete das Europäische Parlament eine neue Richtlinie, die Verschärfungen des Waffenrechts vorsieht. Jäger und Sportschützen sind allerdings weitgehend davon ausgenommen. Zuvor hatte die Bundesregierung Vorschläge der EU-Kommission, Waffenerlaubnisse zu befristen oder medizinische Untersuchungen bei der Erteilung von Erlaubnissen zur Pflicht zu machen, abgelehnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund