Währungschaos im Libanon: Gescheiterter Neoliberalismus
Nach dem Bürgerkrieg setzten Regierung und Banken auf das Einkommen der Diaspora. Die Pleite ist Folge der hohen Zinsen und teuren Staatsanleihen.
![Ein arbeitsloser Libanese sitzt in einem Straßencafe und raucht Wasserpfeife Ein arbeitsloser Libanese sitzt in einem Straßencafe und raucht Wasserpfeife](https://taz.de/picture/4284864/14/Ein_junger_Libanese_raucht_Wasserpfeife_-1.jpeg)
D ie Finanzkrise im Libanon zeigt, dass das neoliberale Wirtschaftsmodell zum Scheitern verurteilt ist. Das Land durchlebt die schwerste Wirtschaftskrise seiner jungen Geschichte. Nicht weniger als 80 Prozent hat das libanesische Pfund schon an Wert verloren. Hunger ist das dringendste Problem. Die Supermarktregale sind gefüllt, aber die Menschen können sich Brot und Reis nicht mehr leisten.
Selbst subventionierte Lebensmittel sind inzwischen mehr als doppelt so teuer wie vor der Krise, während die Zahl der Arbeitslosen ständig wächst. Soforthilfen sind nötig und längerfristig Investitionen im produzierenden Sektor, um sich aus der Abhängigkeit von teuren Importen zu lösen und Lebensmittelsicherheit zu garantieren. In der Zeit nach dem Bürgerkrieg schufen Banken und Politiker ein privatisiertes Land, in dem das meiste Geld mit Finanzanlagen oder Immobilien gemacht wurde. Jobs wurden dadurch nicht geschaffen.
Jetzt sind es vor allem junge Arbeitslose, die Scheiben einschmeißen, Molotowcocktails auf Bankfilialen werfen und mit Schlagstöcken aufeinander losgehen. Das System legt es darauf an, dass die Jugend das Land verlässt. In finanzstarken Ländern wie Frankreich oder Deutschland verdiente die Diaspora in ausländischen Währungen, die sie im Libanon anlegte. Die Privatbanken lockten die Exillibanesen mit zweistelligen Zinsen. So konnte die lokale Währung stabilisiert werden.
Die Banken investierten das Geld in hoch verzinste Anleihen an die Regierung, was zu einer hohen Staatsverschuldung führte. Der Libanon steuert auf eine Hyperinflation zu. Die Regierung verhandelt mit dem Internationalen Währungsfonds. Viele Libanes*innen glauben, dass nur durch internationalen Druck Reformen erzwungen werden können. Doch der IWF steht nicht für soziale Reformen, sondern für Haushaltskürzungen und höhere Steuern.
Im Libanon braucht es ein Sozialsystem. Ruhe wird erst einkehren, wenn der Staat dem Volk dient. Nicht umgekehrt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden