WM 2010: Kolumne Rote Erde: Die ersten Schritte
"Kauf mir eine Cola! Ich habe nichts", ruft er mir nach. Das mache ich. Als ich zum Zaun gehe, um sie ihm zu geben, frage ich mich, ob das nicht saugefährlich ist
Ich mache alles für dich. Buch mich einfach zwei Stunden. Ich habe nichts. Ich wohne in einer Hütte. Zwei Stunden nur." Der Mann, der mich angesprochen hat, steht hinter einem Zaum zum Pressezentrum vor Soccer City. Ich bin nicht der Erste, den er angesprochen hat. Und einen Job habe ich für ihn genauso wenig wie die anderen, die er darum gefragt hat. Meine Artikel muss ich schon selber schreiben.
"Eine Cola", ruft er mir nach, als ich mich abwende, "kauf mir eine Cola! Ich habe nichts." Das mache ich. Als ich zum Zaun gehe, um sie ihm zu geben, frage ich mich, ob das nicht saugefährlich ist, was ich da gerade mache: Ich gebe ihm eine Cola und er nimmt mir durch den Zaun hindurch sonst was, am Ende sogar mein Leben. Ich werfe ihm aus einer mir sicher erscheinenden Entfernung die Plastikflasche über den Zaun zu. Zwei Menschen sind für einen Moment zufrieden. Der Mann hat eine Cola und ich weiterhin mein Leben.
Bevor ich aufgebrochen bin nach Johannesburg, haben meine Freunde mir Glück gewünscht. "Pass auf auf dich", haben die meisten gesagt. Ich habe es ihnen versprochen. Ein paar haben mir eher unlustige Anekdoten mitgegeben, mir von Dingen erzählt, die sie selbst in Südafrika erlebt haben. "Wenn dir einer das Messer an den Hals hält, dann machst du dir erst mal in die Hose", hat einer erzählt. "Ist mir wirklich passiert."
Andreas Rüttenauer ist Sport-Redakteur der taz und berichtet aus Südafrika.
Es ist jetzt nicht so, dass ich immer mit einer Wechselhose im Rucksack unterwegs bin. Aber an dieses "Pass auf dich auf", muss ich doch ziemlich oft denken. "Da sind Sie untergebracht?" Die freiwillige Helferin am Welcome Desk im Medienzentrum ist ratlos, als ich ihr den Zettel zeige, auf dem ich die Adresse meiner Unterkunft notiert habe. Rifle Range Ecke Bellavista Road. Keine Anschrift für einen, der auf sich aufpassen soll. Nun will ich von der Helferin wissen, wie ich da mit einem öffentlichen Verkehrsmittel hinkomme. "Was ist denn der sicherste Weg dahin?", fragt sie einen Kollegen. "Sicher?", fragt der Kollege und blickt ratlos drein. Dann lächelt er wieder. Helfer müssen immer lächeln, auch wenn ihnen etwas oder jemand nicht geheuer ist.
Ich frage mich, ob es da unten im Süden Johannesburgs, wo ich bei einer privaten Vermieterin ein Zimmer gebucht habe, vielleicht ganz schlimm ist, und ob es nicht doch besser gewesen wäre eine Ersatzhose einzupacken. Am Ende lande ich in einem wahrscheinlich ganz normalen Stadtteil Johannesburgs bei einer wahrscheinlich ganz normalen Vermieterin.
Bei der Fahrt durch die Dunkelheit dorthin im Taxi habe ich mich gefragt, wie gefährlich wohl die jungen Männer sind, die an so mancher Mauer lehnen und für mich so aussehen, als wäre für sie das Wort "herumlungern" erfunden worden. Zu Fuß wäre ich jetzt nicht gerne unterwegs. Ich weiß nicht, ob all das aufregend ist, aber ich bin aufgeregt.
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