WEF-Chef Klaus Schwab tritt zurück: Der Papst der Globalisierung
Linke fanden ihn schon lange doof, Rechte nun auch: Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums, zieht sich aus dessen Vorsitz zurück.

Der Rückzug des 87-Jährigen aus dem Verwaltungsrat des Forums kündigte sich schon länger an. Das Tagesgeschäft in der Zentrale am Genfer See leitet mittlerweile schon der frühere norwegische Außenminister Børge Brende.
Aufräumarbeiten sind im Gange, zu denen auch Belästigungsvorwürfe beigetragen haben mögen, die im vergangenen Jahr das Wall Street Journal erhob. Die Kritik von Frauen und Schwarzen Personen an unangemessenem Verhalten, unter anderem durch Führungspersonal, hat das Forum untersuchen lassen – und anschließend zurückgewiesen.
Unmittelbarer Anlass für den Rückzug war nach Darstellung des WSJ nun ein neuer Brief von Whistleblowern an das Forum. Darin würden Schwab und seiner Frau Missbrauch von Firmengeldern für private Zwecke vorgeworfen, etwa teure Reisen und die Nutzung einer Unternehmensimmobilie. Das Weltwirtschaftsforum erklärte, es habe eine „unabhängige Untersuchung“ der „unbewiesenen Anschuldigungen“ veranlasst. Ein Sprecher Schwabs wies die Vorwürfe zurück.
Vorträge, Empfänge, Partys
Der Kongress fand seit Anfang der 1970er mit wenigen Ausnahmen jedes Jahr in Davos statt, zu Beginn mit einigen Hundert Teilnehmenden, später mit Tausenden Managerinnen und Managern, plus jeweils dutzenden Staatschefs und Ministerinnen. Der oft tief verschneite mondäne Bergort mutierte dann für einige Tage zur Hauptstadt der Globalisierung.
Schwab legte Wert auf informelle Atmosphäre ohne Krawatten, aber mit rutschfesten Schuhen. Wer fit genug war, konnte am Schluss ein Skirennen mitfahren. Noch immer gibt es tagsüber Vorträge, abends Empfänge, nachts Partys. Milliardäre wie Bill Gates sind meisten da.
Schwab war die zentrale Person in dieser Erfolgsgeschichte. In bestem Englisch mit hartem deutschen Akzent pflegte der aus Ravensburg stammende Ökonom persönliche Beziehungen zu den wichtigsten Akteuren der Weltpolitik. Das Motto der Organisation lautet: „Verpflichtet, den Zustand der Welt zu verbessern“.
Schwab verbreitet die Botschaft, dass es eine für alle gute Globalisierung geben könne. Sein Ideal eines Stakeholder-Kapitalismus besagt, dass Unternehmen sich nicht nur um Gewinnmaximierung, sondern auch um gesellschaftlichen Fortschritt kümmern müssen.
Zwar gab es Formen der Globalisierung schon in früheren Jahrhunderten. Die Phase ab Mitte der 1980er bot jedoch etwas Neues: Der Zusammenbruch der Sowjetunion eröffnete die Möglichkeit eines einheitlichen kapitalistischen Weltmarktes mit immer weniger Handelsbeschränkungen an nationalen Grenzen. Für diese Ära wollte Schwab das Weltwirtschaftsforum als Regelungsinstanz positionieren, als globalen runden Tisch für Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Die Lobby für die Konzerne
Gleichzeitig allerdings arbeitet das Forum als Lobbyorganisation der größten Unternehmen der Welt, welche es mitfinanzieren. Das löste Kritik der Linken aus, die die in Davos anwesenden Konzerne mitverantwortlich machten für neue Ausbeutung, schlechte Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen in den globalen Lieferketten der europäischen und nordamerikanischen Konzerne.
In den 2000er Jahren beanspruchte das Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre die Rolle der Gegenveranstaltung zu Davos. Einmal fand eine Fernsehdiskussion per Satellit zwischen beiden Foren statt.
In den vergangenen Jahren bauten außerdem Rechte Klaus Schwab als Feindbild auf. Sie sehen ihn an der Spitze einer Weltverschwörung der „Globalisten“, die den Nationalstaaten Arbeitsplätze und Kompetenzen stiehlt. Die neueste Wendung dieser Entwicklung zeigt sich in der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump, seinen Angriffen auf Welthandel und globales Finanzsystem – Ideen, die Schwabs Credo grundsätzlich zuwiderlaufen.
Ironie der Geschichte: 2018, zu Beginn seiner ersten Amtszeit, reiste Trump persönlich nach Davos. Im Januar 2025 hielt er eine Video-Ansprache, die ins Kongresszentrum übertragen wurde. Beide Male begrüßte ihn Klaus Schwab sehr freundlich – um sich dann kritiklos dessen feindselige Statements anzuhören.
Transparenzhinweis: Der Brief der Whistleblower, über den das WSJ berichtete, sowie die Reaktion von Schwabs Sprecher darauf fehlten in der zuerst veröffentlichten Version und sind nun ergänzt
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