WDR-Sendung „Freitagnacht Jews“: Echte Juden im Fernsehen
Was bedeutet es heutzutage jüdisch zu sein in Deutschland? Dieser Frage geht Daniel Donskoy in der wöchentlichen WDR-Sendung mit seinen Gästen nach.
Wer ist die wohl unbeliebteste Schicksalsgemeinschaft in Deutschland? Na? Die Juden, ist doch klar. Haha. So begrüßt Daniel Donskoy, eigentlich Schauspieler und Musiker, als Moderator der WDR-Sendung „Freitagnacht Jews“, die Zuschauer:innen in der zweiten Folge.
Er habe „keinen Bock auf den ganzen jüdischen Holocaust-Kram“, sagt Donskoy. In „Freitagnacht Jews“ soll es nicht um die Vergangenheit gehen, sondern um die Gegenwart. Um lebende Juden also. Donskoy lädt sich jede Folge Gäste ein, bekocht sie, trinkt und diskutiert mit ihnen. In seiner Sendung will er herausfinden, was es heute bedeutet jüdisch zu sein in Deutschland.
Da stellt sich doch gleich eine entscheidende Frage: Ist das jetzt eine Sendung für Juden? Oder für Deutsche? Für alle? Ganz Goj-freundlich werden jedenfalls während der Sendung jüdische Begriffe und ihre zugehörige Bedeutung eingeblendet – und zu Beginn einmal geklärt, wer denn nun eigentlich ein Jude sei. Ab diesem Punkt wird es etwas herausfordernder für nichtjüdische Zuschauer:innen.
In jeder Folge stellt Donskoy eine These auf, die diskutiert werden soll. These der Folge 1: Einmal Jude, immer Jude? Seine Gäste sind die Schauspielerin Susan Sideropoulos und Schriftstellerin Mirna Funk, gegessen werden Latkes (herzhaft, nicht süß), dazu trinkt man Wein und Schnaps.
„Freitagnacht Jews“, immer freitags um 17 Uhr auf dem WDR-Youtubekanal und in der ARD-Mediathek. Acht Folgen insgesamt.
Die Frage der Repräsentation
Ziemlich schnell kommt die Runde zum Wesentlichen: Es geht um Repräsentation, die Frage, wer für die jüdische Community in Deutschland sprechen kann (Antwort: niemand aus der Runde) und das Verhältnis zur Mehrheitsgesellschaft. Die nämlich, benutze Jüdinnen und Juden gerne, um sie für alle jüdischen Menschen sprechen zu lassen, sagt Funk. An Donskoy sei im Vorfeld der Sendung jemand herangetreten und habe gesagt, er sei nicht der richtige Jude dafür, weil er sein Jüdischsein nicht so lebe.
Wann ist man jüdisch genug für die Mehrheitsgesellschaft? Und was bedeutet es, jüdisch zu sein? Für Sideropoulos ist es eine „Gefühlsangelegenheit“, eine Wärme und Geborgenheit, eine Lebensphilosophie, die sie an ihre Kinder weitergeben möchte. Funk hingegen verbindet vor allen Dingen eine philosophische Denkweise mit dem Jüdischsein, eine, wie sie sagt, die man besonders heute ganz gut gebrauchen könnte.
In der zweiten Folge „Freitagnacht Jews“ trifft Donskoy auf seinen alten Schulkameraden Max Czollek. Dass die beiden durch diese Vergangenheit teilweise unangenehm ankumpeln, darüber muss man wohl als Zuschauerin hinwegsehen.
Czollek wurde durch sein Werk „Desintegriert euch!“ bekannt, in dem er über Zugehörigkeit und das leere Versprechen von Integration schreibt, und das so allgemeingültig geschrieben ist, dass Czollek für viele Menschen tatsächlich zum Repräsentanten einer jüdischen Generation wurde.
Wie das Judentum in sein Leben kam
Dazu passend wählt Donskoy seine These für diese Folge aus. Sie lautet: Der Antisemitismus ist so tief in unserer Gesellschaft verankert, dass er einfach nicht mehr wegzukriegen ist. Czollek gibt das die Möglichkeit, den Inhalt seines Buchs zu rezitieren. Wer es bereits gelesen, wird sich an dieser Stelle wohl etwas langweilen.
Spannend wird es in dieser Folge, wenn Donskoy davon erzählt, wie das Judentum in sein Leben kam. Er selbst ist russischsprachiger Jude und kam mit seiner Familie aus der Sowjetunion nach Berlin. Das erste Mal setzte er sich bewusst mit seiner jüdischen Identität auseinander, als ein Schulkamerad nicht mehr neben ihm sitzen wollte – weil er Jude war. Oder als Czollek von seiner Erfahrung an der jüdischen Schule erzählt, „es war ein Raum, in dem konnte man genervt sein von Juden, weil es war ein mehrheitlich jüdischer Raum“.
Es ist wahrscheinlich das erste Mal im deutschen Fernsehen, dass gegenwärtige jüdische Menschen in einer Sendung zusammenkommen und sich über das Leben als Jüdinnen und Juden in Deutschland austauschen.
„Das mag nun zu Beginn etwas komisch wirken“, sagt Mirna Funk. Man mache ein bisschen „Jew Porn“. Denn es ist eben nicht normal, Jüdinnen und Juden sprechen zu hören. Und zwar über Themen, die nicht immer etwas mit Antisemitismus zu tun haben müssen.
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