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WDR-Podcast „Der Schuss von Porz“Ein Abend in Deutschland

Ein CDU-Lokalpolitiker schießt auf einen Jugendlichen und beleidigt ihn rassistisch. Ein WDR-Podcast versucht nun, die Tat zu rekonstruieren.

CDU-Kommunalpolitiker Hans-Josef Bähner fühlte sich gestört, zog eine Waffe und schoss Foto: Michael Bihlmayer/imago

Der Kölner Stadtteil Porz, Dezember 2019. Vier junge Männer Anfang 20, die abhängen, und ein Rentner, der sich in seiner Nachtruhe gestört fühlt. Eine Geschichte, die in Deutschland wohl jeden Abend irgendwo so passiert. Doch diesmal zückt der Rentner eine Waffe und schießt. Die jungen Menschen erzählen, sie seien davor rassistisch beleidigt worden. Der Schuss trifft den 20-jährigen Krys am Oberarm. Krys’ Familie stammt aus Polen. Der Schütze, stellt sich etwas später heraus, ist der kommunale CDU-Politiker Hans-Josef Bähner.

Das ist die Ausgangslage des WDR-Podcasts „Der Schuss von Porz – Ein Politiker drückt ab“. Es geht darin um die Frage: War der Schuss rassistisch motiviert? Zehn Monate lang haben die Journalistinnen Stefanie Delfs und Antonia Märzhäuser recherchiert. Zur Tatnacht und vor allem zu all dem, was danach folgte: Der damalige CDU-Generalsekretärs Paul Ziemiak schrieb einen verurteilenden Tweet, der wieder gelöscht wurde. Der Medienanwalt und damalige Geschäftsführer der Werteunion, Ralf Höcker, der sonst nur prominente Po­li­ti­ke­r:in­nen wie Alice Weidel oder Hans-Georg Maaßen vertritt, schaltete sich ein. Er setzte die lokale Presse unter Druck, den Namen des Schützen nicht zu nennen. Ein Bündnis gründete sich neu, für die der Fall einer von vielen ist, auf der langen Liste rechter Gewalt. Und die vier jungen Menschen merkten plötzlich, dass ihnen die Schuld für die Tat in die Schuhe geschoben werden soll.

Der Podcast führt die Hö­re­r:in­nen gut recherchiert durch zwei Jahre Gerichtsverfahren, Nachforschungen und lokale Berichterstattung. Es geht dabei nicht nur um den CDU-Politiker, der wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und unerlaubten Waffenbesitzes angeklagt ist. Es geht auch um einen Stadtteil, der für so viele Stadtteile in Deutschland steht, in dem zwei unterschiedliche Milieus nebeneinander her leben, aber nicht miteinander: junge migrantische Menschen und alteingesessene Menschen, die sich regelmäßig am Stammtisch treffen, die sich selbst nicht als rassistisch bezeichnen würden, „aber …“.

Direkt, sachlich, kaum reißerisch wird die Geschichte nacherzählt. Manchmal mit einem gewollten Drang, durch Szenerie und einem gerappten Abspann aufzulockern. Trotz trockener Gerichtsprotokolle, die immer wieder im Podcast auftauchen, bleibt es aber dauerhaft spannend. Zu Beginn der fünf halbstündigen Folgen gibt es einen Warnhinweis: „In Nacherzählungen und Interviews fallen diskriminierende Begriffe, die für manche Menschen verletzend sein können.“ Es sei jedoch nicht möglich, die Geschichte und die Strukturen hinter diesem Fall zu erzählen, ohne diese in Zitaten zu reproduzieren. Und dann kommt man den Betroffenen ganz nah: Es sprechen der angeschossene Krys, seine Mutter, seine Freunde, Ak­ti­vis­t:in­nen der Initiative „Tatort Porz“. Einseitig bleibt der Podcast dabei nicht.

Der Podcast

„Der Schuss von Porz – Ein Politiker drückt ab“. ARD-­Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Die Hö­re­r:in­nen treffen auf Stamm­tisch­freun­d:in­nen und Schützenkollegen von Hans-Josef Bähner, die sich einfach nicht vorstellen können, das Ganze sei rassistisch motiviert. Auch Bähner selbst wurde angefragt, es kam aber keine Rückmeldung. Der Podcast will nicht belehren, er will verstehen. Doch der Versuch, völlig wertfrei zu bleiben, den Hö­re­r:in­nen ihr Fazit selbst zu überlassen, gelingt nicht immer. Am Stammtisch in einem Porzer Wirtshaus entgleitet es da sogar der Erzählerin: „Eine verstörende Aussage und es ist nicht die einzige.“

Am Ende bekommen wir gezeigt, was nicht oft genug gezeigt werden kann: Kreise, in denen „Rassismus überall vorhanden ist, ohne dass die Leute akzeptieren, rassistisch zu sein.“ Der Pod­cast blickt auf die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“. Und erzählt somit eine Geschichte, die weit mehr als nur von lokalem Interesse ist. Denn sie ist ein Paradebeispiel: ein rechtskonservativer älterer Mann, CDU, und auf Facebook noch mal deutlich rechter. Ein Mann, der auch mal „alternative Medien“ teilt, aber in seinen Kreisen als freundlicher, älterer Mann, unscheinbar mit „konservativer Grundhaltung“ gilt. „Schönes kleines Haus am Rhein, eine nette Frau, großen Hund. Also so, wie es sein sollte“, beschreibt ihn ein Bekannter. Der Übergang zwischen Rechtskonservativismus und Rechtsextremismus scheint fließend.

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