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…WAS MACHT EIGENTLICH ... Klaus Wowereit?Biedere Grooves

Jedes Popsternchen kann ein Lied davon singen: Die dritte Single ist die schwerste. Beim Debüt lagen sie einem zu Füßen, Nummer zwo bewies, dass man auch anders kann. Und dann? Diese Frage muss sich jetzt auch Klaus Wowereit stellen. Der Shootingstar von 2001 („Und das ist auch gut so“, damals noch auf dem SPD-Hauslabel) hatte Ende 2003 mit „Arm, aber sexy“ – produziert von Focus – genial nachgelegt. Ob das gestern vom neuen Mega-Label Vanity Fair gelaunchte Stück mit dem Refrain „Uns geht es gut“ Hitqualitäten hat, muss man ernstlich bezweifeln.

Vanity-Chef Ulf „Posh“ Poschardt hatte bereits letzte Woche Bushido einen fetten Gute-Laune-Rap aufnehmen lassen – einen Scheißsound, aber mit ehrlichen Beats: „Wir können schon froh sein, / in einem Land wie Deutschland zu leben / In Deutschland ist eben alles etwas cooler / Hier bin ich im letzten Jahr Euromillionär geworden.“ Wowi klingt verzagter: „Ich habe die Rhetorik des Weltuntergangs / stets für falsch gehalten.“

Was dem Wowereit-Titel fehlt, ist der Mut zur Überraschung. Das Stück ist sauber abgemischt – aber die Versatzstücke altbekannt. Auch das hämmernd wiederholte „Uns geht es gut!“ ändert am biederen Gesamteindruck wenig. Nur selten gelingt dem Magier aus dem Roten Rathaus ein knisternder Loop: „Verzagtheit, Angst und Depression / führen nur noch zu mehr / Verzagtheit, Angst und Depression.“ Von absehbarer Kurzlebigkeit dagegen manch tagesaktuelle Anspielung („Überholte Wirtschaftspolitik weist Gewerbeflächen aus / und rennt jedem / noch so windigen / Investor hinterher“). Berufsjugendlich wirken Lines wie „Ausbau von Bildungschancen / lautet deshalb / das Man-to-the-moon-Projekt / unserer Zeit“ aus dem Munde eines auch nicht mehr taufrischen Künstlers. Und noch schlimmer: „Unser Einsatz für Mindestlöhne in Deutschland / ist ein wichtiger Beitrag / für den Zusammenhalt der Gesellschaft“. Hallo? Da schlafen einem ja die Ohren ein!

Achten wir mal drauf, ob in der kommenden Zeit der Schlussrefrain „Uns geht es gut / Sorgen wir dafür, dass es so bleibt“ auf Berlins Straßen geträllert wird. Vielleicht unterschätzen wir ja Wowereits Groove-Faktor. Es wäre nicht das erste Mal. CLP

FOTO: REUTERS

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