Vorwurf der Sachbeschädigung: Senior-Sprayer vor Gericht
Dem Streetart-Künstler "Oz" droht erneut ein Verfahren. Ihm werden 20 Graffitis zur Last gelegt. Die Verteidigung fürchtet mehrjährige Gefängnisstrafe .
HAMBURG taz | Walter F. alias "Oz", der stadtbekannte Sprayer, macht einen lockeren und stolzen Eindruck, als er am Freitag Journalisten Fotos von seinen Graffiti in der Galerie OZM zeigt. Die Anwälte des 61-jährigen Underground-Künstlers, Andreas Beuth und Martin Kowalske, sehen den nächsten Wochen nicht ganz so gelassen entgegen. "Nach den bisherigen Erfahrungen muss die Verteidigung mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen", sagt Beuth. Walter F. muss sich ab kommenden Donnerstag wegen 20 Sachbeschädigungen vor dem Amtsgericht Barmbek verantworten.
Oz wird vorgeworfen, auf Verteilerkästen, Mülleimer, Lichtmasten und den Rückseiten von Verkehrsschildern sein Oz-Zeichen, Smileys und Signaturkürzel, sogenannte Tags hinterlassen zu haben. "Die Verteilerkästen waren meist vorher plakatiert", sagt Beuth, oder es hätten sich bereits schon Tags darauf befunden. "Dann ist zu sieben Tags ein achtes dazu gekommen". Auch soll Oz eine graue Gehwegplatte mit Kreide durch eine Spirale "verunstaltet" haben oder an einem Fahrkartenautomaten einen Aufkleber hinterlassen haben: "FC St. Pauli gegen Rechts".
Doch der schwerwiegendste Anklagepunkt dürfte sein, dass an einem Pfeiler der Alsterarkaden Smileys entdeckt wurden, die auf Oz schließen lassen. Dennoch ist für Beuth die Anklage absurd. "Die Anklagepunkte sind beschämend und lächerlich, kein Verteilerkasten war in seiner Funktion gestört."
Der 61-jährige Walter F. alias "Oz" fühlt sich als Untergrund-Künstler. Der unehelich geborene und in Heimen aufgewachsene Halbjude wollte anfangs mit seinem Oz-Emblem ein Zeichen gegen Nazis in der Gesellschaft setzen.
120.000 Oz-Zeichen sind im Jahr 1990 in Hamburg gesprüht worden.
Mit Knüppeln verprügelt wurde Oz am 1. Oktober 1999 von Sicherheitsbediensteten der S-Bahn-Wache in einem Diensthäuschen am Holstenbahnhof. Die Männer hatten ihn in einem Zug erkannt, aus dem Waggon gezerrt und in dem Gebäude traktiert. Sie bestritten die Tat trotz Augenzeugen, wurden allerdings von einer Kamera gefilmt und zu Freiheitsstrafen von 18 und 14 Monaten verurteilt.
Ins Gefängnis muss Oz im Sommer 2000, nachdem ihn das Landgericht zu einem Jahr und neun Monaten wegen 23-facher Sachbeschädigung verurteilt hatte.
In Fußfesseln vorgeführt wurde Oz im Herbst 2000, als ein erneuter Prozess vor dem Amtsgericht Altona begann.
Insgesamt acht Jahre saß Oz im Gefängnis.
In der aktuellen Anklage hat die Sonderkommission "Soko Graffiti" aus dem Debakel von 2006 Konsequenzen gezogen. Unmittelbar nach seiner Haftentlassung hatten zwölf FahnderInnen den 61-Jährigen mehrere Tage lang rund um die Uhr observiert, ohne gegen vermeintliche Sachbeschädigungen präventiv vorzugehen.
Nach der dann erfolgten Festnahme wurde Oz in Untersuchungshaft gesteckt. Im Prozess vor dem Amtsgericht Barmbek erklärte Richterin Birgit Valenta die Observation für rechtswidrig - viele Anklagepunkte wurden fallengelassen, es erfolgte eine Verurteilung genau in Höhe der zu Unrecht verbüßten Untersuchungshaft.
In dem anstehenden Verfahren wird es nach dem Willen der Verteidigung um Grundsätzliches gehen - um die "Autonomie der Kunst im öffentlichen Raum", so Beuth. Denn in solchen Fällen würde das Grundrecht auf Kunstfreiheit direkt auf das Grundrecht auf Eigentum prallen. "Bunte Wände gehören zum Stadtbild", sagt Kowalske und findet dabei die Zustimmung des Netzwerkes Recht auf Stadt. "Lebensweltliche Entwicklungen würden die Beurteilungslage verändern", sagt Kowalke. "Bei uns reicht nur die bloße Veränderung des Erscheinungsbildes aus, um wegen einer Bagatelle strafrechtlich vorzugehen und den Künstler zu kriminalisieren." Kowalske erinnert an den "Sprayer von Zürich", der ebenfalls kriminalisiert worden und heute ein namhafter Künstler sei. "Hohe Preise sind aber kein Beleg für Kunst", relativiert Kowalske.
Galerist Christoph Tornow, der schon Ausstellungen mit Oz organisiert und den Bildband "Es lebe der Sprühling" herausgegeben hat, findet unglaublich, "dass jemand für diese Werke ins Gefängnis gesteckt wird".
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