Haftbefehl nach Nord-Stream-Anschlag

Nach dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines bestätigt Polen, dass es einen deutschen Haftbefehl gegen einen Ukrainer gibt. Politiker loben den Ermittlungserfolg

Von irdischer Schönheit: Foto des Satelliten Pléiades Neo vom Gasleck, 2022 Foto: ESA/dpa

Von Konrad Litschko

Seit fast zwei Jahren wird gerätselt, wer den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee verübt hat. Wie die polnische Generalstaatsanwaltschaft bestätigte, verhängte die Bundesanwaltschaft nun einen Haftbefehl gegen einen Ukrainer – der bisher aber nicht festgenommen werden konnte. Die Bundesanwaltschaft selbst wollte sich dazu nicht äußern. Zuvor aber hatten darüber mehrere Medien berichtet.

Mehrere Po­li­ti­ke­r*in­nen lobten den Ermittlungserfolg. Die Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic sagte der taz, sollten die Berichte zutreffen, wäre das „ein großer Erfolg für unsere Ermittlungsbehörden“. Der Generalbundes­anwalt sei „hartnäckig weiter am Ball geblieben“, auch nachdem Schweden und Dänemark die Ermittlungen bereits eingestellt hatten. „Es ist ein wichtiges Signal, dass unser Rechtsstaat bei solch herausragenden Straftaten Ausdauer beweist und alles versucht, diese restlos aufzuklären.“

Auch der SPD-Sicherheitspolitiker Ralf Stegner nannte es „erfreulich, dass es endlich erste Ermittlungsergebnisse und einen Haftbefehl“ nach dem Anschlag auf die Pipelines gibt. „Das hat ja lange genug gedauert“, sagte Stegner der taz. Es habe in dieser Sache „reichlich Verschwörungstheorien, abenteuerliche Räuberpistolen und angebliche Beweise für eine ‚False Flag‘-Operation“ gegeben. „In einer Demokratie handeln Ermittlungsbehörden unabhängig von gewünschten Ergebnissen – deshalb ist der Fortschritt zu begrüßen. Hoffentlich ist die vollständige Aufklärung der Umstände und Täter dieses Terroranschlags bald in Sichtweite.“

Die beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 waren am 26. September 2022 durch mehrere Sprengungen in der Nähe der dänischen Ostseeinsel Bornholm, in 80 Meter Tiefe, beschädigt worden. Durch Nord Stream 1 floss zuvor russisches Erdgas nach Deutschland, Nord Stream 2 war wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der folgenden politischen Auseinandersetzungen noch nicht in Betrieb.

Die Behörden mehrerer Länder hatten Ermittlungen zu dem Fall aufgenommen, darunter auch die Bundesanwaltschaft. Zu Jahresbeginn stellten Dänemark und Schweden die Verfahren ein. Die Bundesanwaltschaft aber ermittelte weiter. Und laut Zeit, ARD und Süddeutscher Zeitung erwirkte sie bereits im Juni einen Haftbefehl gegen den Ukrainer Wolodymyr Z., einen Tauchlehrer, dessen letzter Aufenthaltsort in Polen gewesen sein soll. Er konnte von den Behörden aber bisher nicht festgenommen werden. Nach Angaben der polnischen Generalstaatsanwaltschaft hat sich der Verdächtige vor einer Festnahme in die Ukraine abgesetzt. Deutschland habe es versäumt, seinen Namen in eine Datenbank gesuchter Personen aufzunehmen.

Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft wollte sich zu dem Fall nicht äußern: Zu Haftbefehlen äußere man sich grundsätzlich nicht. Die Medien berichteten, der Verdächtige habe sich in einem Telefonat überrascht gezeigt und bestritten, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein.

Weiter unklar ist, wer den Anschlag in Auftrag gab. Die ukrainische Regierung bestreitet, dies getan zu haben. Ein Sprecher der deutschen Regierung erklärte am Mittwoch, die Aufklärung des Falls habe für die Bundesregierung „höchste Priorität“.

Der Generalbundes-anwalt sei „hart­näckig weiter am Ball geblieben“, lobten die Grünen

Laut den Medien stehen auch zwei weitere ukrainische Staatsangehörige unter Tatverdacht – darunter eine Frau. Sie könnten als Taucher die Sprengsätze an den Pipelines angebracht haben. Auch sie sollen eine Beteiligung bestreiten. Die nun veröffentlichten Informationen stützten sich auch auf „Hinweise eines ausländischen Nachrichtendienstes“. Im Visier der Ermittlungen ist eine Segeljacht „Andromeda“, auf der im Juli 2023 Sprengstoffspuren entdeckt wurden. Es wird vermutet, dass diese zum Transport des Sprengstoffs für die Sabotage eingesetzt wurde.

Die Grünen-Politikerin Mihalic kündigte an, unabhängig von den Ermittlungen im Bundestag weiter darauf zu drängen, das „längst überfällige“ Kritis-Dachgesetz zum Schutz der kritischen Infrastrukturen „nun endlich zügig zu beraten“. Hier bestehe „offensichtlich dringender Handlungsbedarf“.