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Vorwürfe gegen „Jungle World“Transfeindlichkeit im Jungle?

In einem offenen Brief kritisieren Au­to­r*in­nen Transfeindlichkeit bei der Wochenzeitung „Jungle World“. Die Redaktion widerspricht.

Das Transsymbol: Banner bei einer Demo am 8. März Foto: Imago

Am Wochenende haben Au­to­r*in­nen der Jungle World einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie anprangern, dass in dem Medium transfeindliche Texte veröffentlicht würden. In dem Brief mit 15 Erst­un­ter­zeich­ne­r*in­nen heißt es: „Es kann nicht sein, dass linke Zeitungen Inhalten einen Raum geben, die sich nur in Nuancen von der Hetze erklärter An­ti­fe­mi­nis­t*in­nen unterscheiden.“ Die Argumente in den kritisierten Texte seien keine „solidarische Kritik“, sondern würden Ressentiments bedienen, die teilweise von denselben Au­to­r*in­nen „beinahe wortgleich“ auch in Cicero und Welt wiederholt würden.

In dem Brief unterstreichen die Un­ter­zeich­ne­r*in­nen gesellschaftliche wie staatliche Diskriminierung und Gewalt gegen trans Menschen. „Während trans Personen der Angst ausgeliefert werden, diskreditiert die Jungle regelmäßig ihren Kampf um Nischen der Selbstbehauptung.“ Sie machen sich wiederholende Motive aus: Transfeindliche Gewalt werde verharmlost und trans Frauen würden als Aggressorinnen dargestellt. Der Kampf um trans Rechte werde einseitig als autoritär und „hysterisch“ diffamiert.

„Wir beklagen, dass Transfeindlichkeit immer wieder eine Plattform bekommt und als zentrales Ideologem des aktuellen Antifeminismus und der Querfront offenbar nicht ernst genommen wird.“ Die Jungle werde ihrem Anspruch als linksradikale Zeitung nicht gerecht.

Auf Nachfrage erhielt die taz am Dienstag ein Statement der Redaktion. Darin unterstreicht sie ihre Pluralität und ihre Berichterstattung über Feindschaft gegen trans Menschen. Diese Feindschaft würde die Zeitung auch bekämpfen. Allerdings heißt es weiter: „Zu Transaktivismus gibt es keine einheitliche Position innerhalb der Redaktion.“

Auch die Un­ter­zeich­ne­r*in­nen des Briefes wissen um die Pluralität in der Zeitung. Thorsten Mense schrieb auf Twitter, es gehöre dazu, dass sein Name in der Jungle World auch neben Texten stehe, die ihm „eher unangenehm“ seien. „Wenn es um Transgeschlechtlichkeit geht, liest sich der Dschungel aber regelmäßig wie ein Supplement der Welt und nicht wie eine linke Zeitung.“

Im Statement der Redaktion heißt es: „Wir haben immer Wert darauf gelegt, auch linke Strömungen nicht von Kritik auszunehmen.“ Diesen ordnet sie auch „Transaktivismus“ zu. „Die Debatte über das Thema werden wir sowohl intern als auch in der Zeitung fortsetzen. Die Au­to­r:in­nen des offenen Briefs waren nie daran gehindert, sich daran zu beteiligen.“

Mitte Februar hatten mehr als 1.200 Mit­arbeitende der New York Times einen offenen Brief an die Zeitung geschrieben und dort ebenfalls die Berichterstattung über trans Menschen kritisiert.

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11 Kommentare

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  • Was mir große Sorgen macht, ist die Haltung der Autoren des Offenen Briefs. Sie schwingen sich wie es verstehe gewissermaßen zu Richtern darüber auf, was legitime Kritik darstellt. Ein offener und kritischer Diskurs wird so von vorneherein verhindert. Generell erlebe ich, dass in vielen linken Debatten die Angst umgeht, bloß nichts Falsches zu sagen. Ein offener Umgang mit Herrschaftsstrukturen wird so erschwert. Besonder schlimm ist das für diejenigen, die die komplizierten akademischen Regeln des linken Diskurses, die sich ja auch noch häufig verändern, nicht kennen. Wer da in ein Fettnäpfchen tritt, ist schnell gebranntmarkt. Sich gegen jegliche Kritik sozusagen im Voraus zu panzern und auch jede Kritik an einer Denkstruktur nur noch als Kritik an Personen verstehen kann, ist mit Sicherheit nicht hilfreich. Dieser Offene Brief wird zwar mit Sicherheit leider nicht der letzte geblieben sein, ich würde mir aber wünschen, dass die Linke insgesamt wieder stärker von Dogmen und eingefahrenen Lehrsätzen Abstand nehmen könnte und ein kritischer und offener Diskurs wieder möglich wird. Dazu gehört, dass man manche Sichtweisen eben nicht oder nur teilweise teilt. Das macht aber den anderen noch lange nicht zu einem Menschenfeind. Wievielen in der Mitte angesiedelten oder sogar sehr linken Menschen mittlerweile vorgeworfen wird, rechts und/oder transfeindlich zu sein, finde ich ebenfalls sehr fragwürdig. Nicht zuletzt werden wirklich rechte Positionen so auch verharmlost. Meine Meinung

    • @Peter Peters:

      Was mir große sorgen macht ist Transfeinlichkeit die global um sich schlägt, mit realen opfern. Und Amelung verharmlost diese und Kuschelt mit transfeindlichen Aktivisten und Sifftwitter.

  • Die Texte, die in dem offenen Brief (zu Unrecht) als transfeindlich bezeichnet werden, sind von Till Randolf Amelung. Auch die taz hat Amelung mehrfach ein Forum geboten. Amelung war schon im taz Talk und wurde auch von Jan Feddersen interviewt. Die Interviewführung ist doch eher affirmativ.



    Die gegenüber der jungle world erhobenen Vorwürfe sind substanzlos. Wären sie es nicht, so müsste man sie allerdings genauso gegenüber der taz erheben.

    • @Taugenichts:

      Feddersen und Amelung sind beide transfeindlich.

  • Die Artikel in der "jungle world", die in dem verlinkten offenen Brief als transfeindliche Texte benannt werden, kann man alle in diesem Thread finden: twitter.com/TillRa...638172836174131203



    Damit kann sich jeder, der beide Seiten hören will, selbst ein Urteil bilden, ob sich diese Artikel nur in Nuancen von Hetze unterscheiden, wie im offenen Brief behauptet.

  • Immer wieder auf der Schiene von Volksfront von Judäa vs. Judäische Volksfront.



    Hört das denn nie auf?

    • @Nansen:

      So lange trans Personen in Deutschland Menschen zweiter Klasse sind und wir selbst in vorgeblich linken Kreisen mit Ausrottung bedroht werden, hört das natürlich nicht auf. Dass du für uns überlebenswichtige Fragen auf diese Art ins Lächerliche ziehst, sagt ja schon alles.

      • @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

        Ausrottung? Ich nehme an, dass Sie das belegen können.

        • @Nansen:

          Ah, Betroffene müssen also mal wider beweisen dass sie Betroffen sind während Hetzenden ungestört der Raum für ihre an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen gegeben wird.

          Und dann wird wie immer jedes Haar gespalten während sich transfeindliche Akteur:innen immer schön damit rausreden können in dem Thema halt nicht so drin zu sein. Aber Haupsache ne Meinung dazu haben.

          Ich kann da nur sagen: Respect our existence or expect our resistance!

          • @Notyourgirl:

            Die Bedrohung sind m.M. das weiter sinkende Bildungsniveau und die sozialen Verhältnisse, die es einfach machen, die Menschen gegeneinander auszuspielen.



            Man kann sich natürlich unter Verwendung allerhand elaborierten Codes gegenseitig selbst zerfleischen. Wird nur nicht so viel bringen, schätz ich.