Vorwürfe gegen Assad und Rebellen: Kriegsverbrechen in Syrien
Eine NGO wirft den Aufständischen in Syrien schwere Kriegsverbrechen vor. Derweil macht die UN auch dem Assad-Regime massive Vorwürfe.
BEIRUT/GENF/BERLIN dapd/epd/taz | Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wirft den Aufständischen in Syrien schwere Kriegsverbrechen vor. In den nördlichen Provinzen Idlib und Aleppo sowie der Küstenregion Latakia seien mehr als ein Dutzend Fälle von Massenerschießungen dokumentiert worden, hieß es in einem am Montag veröffentlichten Bericht.
Zudem macht HRW die Rebellen für außergerichtliche Tötungen und Folter von Gefangenen verantwortlich. Dabei handele es sich um Kriegsverbrechen. Sollten die Vergehen systematisch verübt worden seien, könnten sie auch den Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen. Konfrontiert mit den Vorwürfen hätten drei Rebellenführer erklärt, „nur die schlimmsten Verbrecher wurden hingerichtet“, hieß es in dem Bericht weiter.
Ein von den Vereinten Nationen (UN) eingesetzter Untersuchungsausschuss machte derweil ausländische Kämpfer für die Radikalisierung der Aufständischen verantwortlich. Eine wachsende Zahl „ausländischer Elemente“, darunter militante Islamisten, beteiligten sich an den Kämpfen, teilte der Ausschuss am Montag mit.
Einige hätten sich den Rebellen angeschlossen, andere operierten unabhängig. „Diese Elemente neigen dazu, die oppositionellen Kämpfer zu radikaleren Positionen zu drängen“, sagte der brasilianische Diplomat und Vorsitzende des Ausschusses, Sergio Pinheiro.
Untersuchungsausschuss kommt nicht hinterher
Pinheiro berichtet zudem von der zunehmenden Gewalt im Syrienkonflikt. Die Häufigkeit, mit der „ungeheuerliche“ Verbrechen verübt würden, mache es unmöglich, bei der Erfassung damit Schritt zu halten, erklärte er am Montag vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf.
Die Kommission hatte im Auftrag des obersten UN-Gremiums zum Schutz der Menschenrechte die Gewaltvorfälle in Syrien von Mitte Juli bis Ende August untersucht. Die Zahl und das Ausmaß der massiven Menschenrechtsverletzungen seien in dem Untersuchungszeitraum gestiegen, erklärte Pinheiro. Die Ermittler beschuldigten sowohl das Assad-Regime als auch die bewaffnete Opposition der Kriegsverbrechen.
Auf das Konto der Assad-Truppen und regierungstreuer Milizen gehen den Angaben zufolge willkürliche Festnahmen, Folter, sexuelle Gewalt, Mord und Hinrichtungen. In Städten wie Aleppo, Damaskus und Homs würden Wohngebiete täglich mit schwerer Artillerie, Panzern und von der Luftwaffe der Assad-Streitkräfte beschossen.
Die Einheiten des Assad-Regimes zerstörten gezielt zivile Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser, fügte Pinheiro hinzu. In dem Ortsteil Salaheddin von Aleppo seien mehr als 30 Menschen unter Granatbeschuss gestorben, als sie in einer Schlange für den Kauf von Brot anstanden.
Verbrechen auf beiden Seiten
Die Kommission warf allerdings auch den Rebellen vor, Folter, Mord und willkürliche Exekutionen zu verüben und empfahl, den Bericht dem UN-Sicherheitsrat zu übergeben, damit dieser geeignete Maßnahmen ergreifen könne. Gleichzeitig erinnert die Kommission in ihrem Bericht daran, dass im Falle Syriens allein der Sicherheitsrat den Fall an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) überweisen kann.
Das liegt daran, dass Syrien nicht Mitglied des IStGH ist. Pinheiro gab auch bekannt, dass eine zweite geheime Liste mit Namen von Syrern und anderen Verdächtigen erstellt worden sei, die an das Hochkommissariat für Menschenrechte übergeben werden soll.
In Syrien kam es am Montag erneut zu Gefechten. Die Streitkräfte beschossen Stadtviertel in Aleppo und Damaskus. Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und die Örtlichen Koordinationskomitees meldeten weitere Zusammenstöße zwischen Regierungstruppen und Aufständischen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands