Vorwahl in Argentinien: Debakel für den Präsidenten
In Argentinien sorgt die Wirtschaftskrise bei der Vorwahl für eine klare Niederlage von Präsident Macri. Das Duo Fernández und Kirchner triumphiert.
Vorwahlen sind in Argentinien inzwischen ein aussagekräftiger Stimmungstest für die aktuelle Regierungspolitik. Da sich alle Parteiallianzen schon zuvor auf ihre jeweiligen KandidatInnen einigen, findet eine wirkliche Wahl der KandidatInnen für die Präsidentschafts- und Kongresswahlen am 27. Oktober nicht statt. Dennoch herrscht für die knapp 34 Millionen Stimmberechtigen Wahlpflicht – und die Wahlbeteiligung lag am Sonntag bei rund 75 Prozent.
Die Bilanz Macris nach dreieinhalb Jahren Amtszeit ist verheerend. Während die Zahlen der Arbeitslosen und Armen, der Firmenpleiten und der Staatsverschuldung, der Inflation und der Haushaltseinsparungen steigen, schrumpfen Wirtschaft und Konsum, sinken die Reallöhne und ist der Peso immer weniger Wert. Dass Macri kein gutes Vorwahlergebnis erzielen würde, war denn auch erwartet worden. Doch die Umfragen sagten einen Rückstand von zwei bis sieben Prozent vorher. Nicht nur der Abstand von rund 15 Prozent spricht jetzt gegen ihn. Insgesamt votierten nahezu 70 Prozent der Abstimmenden gegen seine Politik.
„Se siente, se siente (Man spürt es) – Alberto Presidente“, skandierte Fernández’ Anhängerschaft, als der strahlende Sieger kurz vor Mitternacht auf die Bühne trat. „Heute hat eine neue Etappe begonnen“, gab sich der 60-Jährige siegessicher. Mit den errungenen 47,7 Prozent hätte das Duo Fernández-Kirchner die Präsidentschaftswahl schon in der ersten Runde gewonnen. In Argentinien gewinnt, wer im ersten Wahlgang 45 Prozent der Stimmen erhält.
Optimistische Ex-Präsidentin
Zuvor hatte sich Cristina Kirchner per Videoschaltung aus ihrer Heimatprovinz Santa Cruz zu Wort gemeldet. „Die Zahlen stimmen uns mehr als optimistisch“, kommentierte sie das Resultat. Und tatsächlich ist die ehemalige Präsidentin (2007–2015) die ganz große Gewinnerin der Abstimmung. Im April hatte sie ihren Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur bekanntgegeben und stattdessen völlig überraschend ihren ehemaligen Kabinettschef Alberto Fernández vorgeschlagen. Sie selbst gab sich mit der Kandidatur zur Vizepräsidentin zufrieden. Und der Überraschungskandidat schaffte es nicht nur, Kirchners 30 Prozent an treuen StammwählerInnen auf sich zu ziehen, sondern legt zugleich enorm zu.
Katerstimmung herrschte dagegen im Regierungslager. Noch vor Bekanntgabe der ersten offiziellen Zahlen trat Mauricio Macri auf die Bühne und räumte „ein schlechtes Wahlergebnis“ ein. Wo sonst die bunten Luftballons fliegen und der Präsident seinen eigenwilligen Freudentanz aufführt, bestimmten lange Gesichter und Trotzreaktionen das Ambiente. „Si se puede – si se puede,“ riefen die Anwesenden. Hoffnung kann seine Anhängerschaft allein aus dem Vorwahlergebnis von 2015 schöpfen. Damals hatte Macri in Umfragen acht Prozent hinten gelegen und dennoch die Stichwahl gewonnen.
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