Vorstoß der türkischen Armee gegen IS: Erdogan will ohne Kurden nach Rakka
Der türkische Präsident wehrt sich gegen eine Beteiligung der syrischen Kurden bei der Befreiung Al-Rakkas vom IS. Die USA setzt aber auf die YPG.
ISTANBUL dpa | Die türkische Armee will bei ihrer Operation in Nordsyrien nach den Worten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bis zur IS-Hochburg Al-Rakka vorstoßen. „Jetzt marschieren wir nach Al-Bab“, sagte Erdogan am Donnerstag in Ankara. „Dann wird der Kampf weitergehen. Danach werden wir uns Manbidsch und Rakka zuwenden.“ Er habe US-Präsident Barack Obama bei einem „langen Telefonat“ am Mittwochabend eine gemeinsame Operation zur Befreiung Rakkas vorgeschlagen. „Das können wir gemeinsam mit Euch erledigen.“
Erdogan sagte, er habe Obama deutlich gemacht, dass es keine Notwendigkeit gebe, die Kurden-Milizen der YPG bei einer solchen Operation in Al-Rakka einzubinden. Die USA setzen beim Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf die YPG am Boden. Die türkische Armee geht in Nordsyrien sowohl gegen den IS als auch gegen die YPG vor. Bei der YPG handelt es sich um den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Auch der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik wandte sich gegen eine Beteiligung der YPG. „Wir wollen, dass die USA in diesem Punkt ihre Haltung ändern“, sagte Isik nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA in Brüssel. „Sonst wird die Türkei nicht zögern, das Notwendige zu unternehmen.“ Mit Kräften aus der Region – besonders mit der Freien Syrischen Armee – gebe es ausreichend starke Alternativen.
Erdogan betonte erneut, man werde bei Entwicklungen in Syrien und im Irak, die die Türkei bedrohen könnten, niemals tatenlos bleiben. Mit Blick auf die Sindschar-Region im Irak warnte er: „Sindschar ist auf dem Weg, das neue Kandil zu werden.“ Das könne nicht erlaubt werden. Im nordirakischen Kandil hat die PKK ihr Hauptquartier.
Leser*innenkommentare
Andreas_2020
Erdogan will nicht nach Rakka, er will nach Qamislo, um die YPG zu terminieren. Der IS ist ein kleines Problem für den pseudo-demokraten Erdogan. Aber in Syrien sind schon viele Menschen gestorben, die Türkei gerät immer tiefer in die Kriegshandlungen und muss immer stärker andere Islamisten decken und mit direkten Waffenlieferungen und nun Soldaten unterstützen. Aber Frieden kann die Türkei in Syrien nicht. Deswegen liegt wohl der Verdacht nahe, dass Erdogan jetzt Assad wieder haben will, weil er glaubt, dass der die Kurden wieder zu Bürgern dritter und vierter Klasse macht - die YPG auflöst und Rojava beendet. Aber das wird so einfach nicht passieren. Und warten wir mal ab, bis massenhaft türkische Soldaten ihr Fett weg bekommen.
Uwe Lorenzen
Der Möchtegern-Sultan, der so tut, als wolle er den "Islamischen Staat" bekämpfen, soll sich da heraus halten bzw. heraus gehalten werden. Jahre lang hat das islamistisch-nationalistische Regime in Ankara den "IS" und ähnliche Terroristen unterstützt und den materiellen und personellen Nachschub unterstützt. Selbst dem BND war dies bekannt, bis er es dann nicht mehr wissen und vor allem nicht mehr sagen durfte. Ziel der völkerrechtswidrigen Intervention türkischer Truppen auf syrisches Gebiet ist auch nicht die Bekämpfung islamistischer Terroristen, denn dies sind ja Brüder im Ungeiste, Ziel sind vielmehr die Ölquellen im Norden Syriens, die zum großen Teil von KurdInnen bewohnt werden. Weil die für demokratische Selbstverwaltung - und damit auch für die Verfügung über die Rohstoffquellen - kämpfen, werden sie kurzerhand zu "Terroristen" erklärt. Den verbrecherischen Krieg gegen das kurdische Volk innerhalb der Türkei will das Erdogan-Regime nunmehr auf die Nachbarländer ausdehnen. Auch die KurdInnen im Irak werden dadurch bedroht. Unverständlich, dass die Peschmerga mit Erdogan paktieren, dessen "Flexibilität" im Umgang mit Bündnispartnern sich auch in Erbil herum gesprochen haben sollte. Der von einem Wiederaufbau des Osmanischen Reichs phantasierende Möchtegern-Sultan ist das Gegenteil eines verlässlichen Bündnispartners für alle, die ernsthaft den "IS" bekämpfen wollen. Ein wertvoller Partner ist er allenfalls für die westliche Rüstungsindustrie und für alle, die sich Syrien und den Irak unter den Nagel reißen wollen, doch jene sind auch "wichtige strategische Partner des Westens", wie uns immer wieder eingeredet wird. Seit Jahrzehnten gilt im Mittleren Osten Öl als wertvoller als Blut und für das Wertvollere wird letzteres seit Jahrzehnten massenhaft vergossen. Als Verbrechen gilt dies nur, wenn das Assad-Regime oder dessen Beschützer Russland es tun, andernfalls sind es "Kollateralschäden".
Reinhold Schramm
„Unverständlich, dass die Peschmerga mit Erdogan paktieren, ...“
Deren Führer verfolgen eigennützige kapitalistische Interessen. Nur auf dieser ökonomischen Basis und Zielvorstellung werden sie auch von den Vereinigten Staaten und anderen westlichen NATO-Partnern unterstützt. Basisdemokratische Ansätze, so auch in der Ökonomie, werden stets bekämpft.