Vorstoß der Grünen-Spitzenkandidatin: Breite Kritik an Jarasch-Projekt
Jenseits der Grünen dominiert Ablehnung für einen Mietenschutzschirm. Die Linkspartei kritisiert vor allem Jaraschs Auslegung des Volksentscheids.
![Das Foto zeigt Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch bei ihrer Rede beim Grünen-Bundesparteitag. Im Hintergrund steht der Schriftzug "Bereit, weil Ihr es seid" Das Foto zeigt Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch bei ihrer Rede beim Grünen-Bundesparteitag. Im Hintergrund steht der Schriftzug "Bereit, weil Ihr es seid"](https://taz.de/picture/5007052/14/27607910-1.jpeg)
Jarasch hatte am Mittwoch Wohnungseigentümer aufgefordert, sich als Vermieter dem Gemeinwohl zu verpflichten und dafür eine Reihe von Bedingungen zu erfüllen, etwa fünf Jahre auf Mieterhöhungen zu verzichten. Ziel ist, dass so 50 Prozent aller Mietwohnungen entweder in Landeshand sind oder als gemeinwohlorientiert gelten. Klappt das nicht, will Jarasch als Regierungschefin zu Enteignungen greifen, für die Grünen eine „ultima ratio“, ein letztes Mittel.
Wenn ihr Mietenschutzschirm steht, gibt es laut Jarasch keine Enteignungen, auch wenn der Volksentscheid erfolgreich ist. Nach dem Verständnis der Grünen-Spitzenkandidatin ergebe sich daraus keine Pflicht zu einem Gesetz, sondern bloß der Appell: „Handle und ergreife die geeigneten Maßnahmen!“
Dem aber widersprach für die Enteignungsinitiative Rouzbeh Taheri. „Wenn wir Erfolg haben, wird es ein Vergesellschaftungsgesetz geben“, sagte er der taz. Im Grundgesetz Artikel 15, auf den sich der Abstimmungstext für den 26. September bezieht, stehe nämlich nur eine Maßnahme: Vergesellschaftung.
So sieht das auch Michael Efler vom Koalitionspartner Linkspartei, lange Vorsitzender des Vereins Mehr Demokratie. „Die Grünen offenbaren gerade ein merkwürdiges Verständnis von direkter Demokratie“, twitterte er. Nicht für einen „unverbindlichen Mietenschutzschirm“ hätten beim Volksbegehren Hunderttausende Menschen unterschrieben, „sondern für Vergesellschaftung“.
SPD: Grüne müssen sich positionieren
Die SPD als dritter Koalitionspartner sieht Halbherzigkeit. Es reiche nicht, wenn Jarasch sich nun persönlich auf eine Ja-Stimme festlegte – „sie müsste dann auch sagen, wie die Grünen insgesamt dazu stehen“, sagte SPD-Bauexpertin Iris Spranger der taz. Für sie passt es nicht zusammen, beim Volksentscheid mit Ja zu stimmen und zugleich mit dem Mietenschutzschirm – aus Sprangers Sicht wie die SPD – alle Akteure der Wohnungswirtschaft an einen Tisch holen zu wollen.
Jarasch hatte am Mittwoch gesagt, man überlasse es den Parteimitgliedern, sich zu entscheiden. So soll es auch nach ihrer persönlichen Festlegung bleiben. Linkspartei und SPD hingegen haben sich längst positioniert: Die eine für, die andere gegen Enteignung.
CDU und FDP hatten sich noch weit klarer als die SPD gegen Enteignungen ausgesprochen und bekräftigten das nun. CDU-Generalsekretär Stefan Evers bezeichnete die Grünen als „sozialistische Partei mit Biosiegel“. Christian Gräff, Bauexperte der CDU-Fraktion, warf ihnen vor, für das Wohnungsproblem mitverantwortlich zu sein. „Wenn Frau Jarasch meint, knapp zwei Monate vor der Wahl Mieter mit einem Schutzschirm auch vor den Folgen ihrer falschen Wohnungspolitik schützen zu müssen, erscheint das absurd“, sagte er. Der FDP-Abgeordnete Stefan Förster meinte, mit einem „Mietenschutzschirm“ werde man das Ziel von jährlich über 20.000 neuen Wohnungen nicht erreichen – er fordert stattdessen eine „mietensenkende Neubau-Offensive“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen