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■ VorschlagBerliner Kongreß für Performance und Visual Art in der Kulturbrauerei

Mit fünf Mark sind Sie dabei, 72 Stunden nonstop. Zum zweiten „Berliner Kongreß für Performance und Visual Art“ laden die Gallery SoToDo und T-Set bis Sonntag, 20 Uhr, in die Kulturbrauerei. Über drei Tage werden von den ständig anwesenden Künstlern Installationen, Performances und Filme rund um die Uhr gezeigt, verändert und neu geschaffen. Ziel, Absicht und Zweck des exzessiven Kongresses ist zum einen die Kommunikation von Künstler, Besucher und Kunstwerk, zum anderen die Verknüpfung der Eindrücke des multimedialen und lokalen Happenings. All dies fiel jedoch am Donnerstag noch ein bißchen müde aus. Die noch wenigen Besucher irrten etwas verloren in den weitläufigen Räumen umher, ein kommunikativer Treffpunkt, so wie er das letzte Jahr mit einem in der Mitte des Raumes aufgebauten Wohnzimmer gestellt wurde, fehlt.

Schade, denn auf dem Kongreß, auf dem neben bekannten Künstlern wie Cynthia Norton, Tom de Toys, Tatsumir Orimoto auch unbekannte mit interessanten Arbeiten vertreten sind, bietet sich die Gelegenheit zu neuen Eindrücken und Ausblicken.

So wurde der Fässeraufzug im großen Saal von Hannah-Christa Busemann, Gabriele Oelschläger und Yorga unabhängig voneinander auf verschiedenen Ebenen installiert, doch bilden sich bei der Betrachtung verblüffende Kongruenzen, die ein umfassendes, interagierendes Leitmotiv erschließen: das Leben als Vergänglichkeitsprozeß. Yorga hat dazu ein Netz aus braunen Klebestreifen und Tesafilm gesponnen, in dem kaputte Alltagsgegenstände wie Radio, Anrufbeantworter und ein Tierkäfig gefangen sind. Das Netzmotiv setzt sich bei Busemanns Installation Blütenpest fort. Die Seidenfäden, die noch während des Kongresses weitergeknüpft werden, umschließen zwei kokonartig aufgeblähte Kleider aus zerrissenen Seidenfetzen, die wild auf der Nähmaschine wieder zusammengenäht sind. Wie ein Torso reckt sich das untere Kleid dem Betrachter entgegen und bildet damit die Brücke zu Oelschlägers Schlachtinstallation aus Wachs. Getragene Perlonstrümpfe läßt sie, mit schwarzem Wachs gefüllt, von den Stangen herunterbaumeln. Ein blutrot zerrissenes Herz ruht hinter aufgehängten Fleischstücken und zeigt Vergänglichkeit in ihrer abschreckendsten Form. Bei so viel Vergänglichkeit sei die Performance von de Toys am Sonntag morgen um 3 Uhr empfohlen, der mit seiner „Grundlosen Inwesenheit“ das ewige Präsens zur Kernbotschaft erhebt: „Dadurch, daß alles aufhört zu sein, was ich bin, werde ich, was ich wirklich bin.“

Wem das zu absolut ist, kann bei Friederike und Uwe die Relativität von Kunst als Ware lernen. Sie veranschaulichen in ihrem Videoband mittels eines Kunsttests die Tauglichkeit ihres Kunstwerks „Kunst für den kleinen Geldbeutel“, ein Plastikkärtchen, das jedem chemischen und physikalischen Angriff trotzt. Plastikkärtchen und Videoband sind nicht nur ausgestellt, sondern auch zu erwerben. Auch ein Katalog, der während der drei Tage gestaltet wird, ist am Ende für Geld einzutauschen und sicherlich eine der kreativsten Arten, über das Wochenende seine Börse zu entleeren. Patricia Caspari

Kulturbrauerei, Knaackstr. 97, bis 21. Juni nonstop bis 20 Uhr

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