Vorschlag für Berliner Sommerbäder: Mehr als nur Baden gehen
Die Initiative „Pool Potentials“ will Berlins die Sommerbäder auch im Rest des Jahres öffnen. Nutznießer könnten Kulturprojekte und Obdachlose sein.
Und dann? Passiert nicht viel, von den notwendigen Instandhaltungsarbeiten einmal abgesehen. Die Initiative „Pool Potentials“ findet das verschenkt: „Die zehn Berliner Sommerbäder – ohne die Kombi-, Kinder- und Freibäder an Seen – haben zusammen eine Fläche von rund 450.000 Quadratmetern“, sagt Benjamin Meurer von „Pool Potentials“. „Ein wahnsinniges Flächenangebot, das in Frühling, Herbst und Winter brachliegt.“
„Pool Potentials“ sind drei frisch ausgebildete ArchitektInnen, die sich schon im Rahmen ihrer Masterarbeit die Frage gestellt haben, wie sich dieser Flächen-Schatz in einer immer dichter werdenden Stadt heben ließe. Zuerst von Corona ausgebremst, haben sie sich jetzt ihres Herzensprojekts wieder angenommen. Mit einer Projektförderung aus dem Fonds „Urbane Praxis“ der Kulturverwaltung sammeln sie – im Netz und per Postkarten auch in den Bädern selbst – Ideen für Zwischennutzungen.
Bei einem solchen Brainstorming kommt naturgemäß alles Mögliche heraus. Auf poolpotentials.de, wo die Initiative auch Daten und Fotomaterial zu den Sommerbädern bereithält, lässt sich schon erahnen, dass vielleicht nicht alles umsetzbar wäre. Etwa der „Palmen Parkplatz Kreuzberg e. V.“: die Vision eines temporären Gewächshauses im Becken des Prinzenbads, wo die empfindliche Topfpflanze vom Balkon überwintern und ihrE BesitzerIn einen Kaffee in tropischem Ambiente schlürfen kann.
Hallenbad: Eine Sommerbad-Zwischennutzung in eigener Sache geht bald bei den Bäderbetrieben (BBB) in Betrieb: Weil nach der Schließung der Schwimmhalle Holzmarktstraße und wegen der Sanierung des Spreewaldbads dringend Hallen-Kapazitäten in Friedrichshain-Kreuzberg benötigt werden, haben die BBB einen Teil der Liegewiese im Prinzenbad für einen temporäres Hallenbad geopfert. Es soll in Kürze für Schwimmunterricht und Freizeitschwimmen öffnen.
Leichtbauweise: Die in Leichtbauweise errichtete Halle überspannt ein Schwimmbecken, das weder gefliest noch mit Edelstahl verkleidet ist: Eine hellblaue Folie dichtet es ab, die mit Abstand günstigste Lösung. Insgesamt hat der extrem nüchterne weißgraue Zweckbau mit Zugang über die Gitschiner Straße rund 3,8 Milionen Euro gekostet. Wie viele Jahre lang er den BerlinerInnen zum Schwimmen zur Verfügung stehen wird, ist derzeit noch offen.
Deutlich näher an der Realität dürfte der Vorschlag sein, die Infrastruktur einiger Bäder für die Unterbringung obdachloser Menschen im Winter zu nutzen – etwa die 1.200 Quadratmeter Umkleiden im Neuköllner Columbiabad. Über diese Idee hat „Pool Potentials“ auch schon Robert Veltmann befragt, den Geschäftsführer der Gebewo, einem sozialen Träger, der unter anderem die Berliner Kältehilfe koordiniert. Der könnte sich so etwas nach eigener Aussage durchaus vorstellen.
Positive Signale
Auch aus der Sozialverwaltung des Senats kommen grundsätzlich positive Signale: „Wir unterstützen alle Vorhaben, durch die sich die Situation obdachloser Menschen verbessern lässt, vor allem im Winter im Rahmen der Kältehilfe“, sagt Sprecherin Karin Rietz auf Anfrage. „Wir standen mit dem Projekt am Anfang der Überlegungen, mussten die Idee aber mit Beginn der Coronapandemie vorläufig verwerfen.“ Unter den geltenden Hygienevorschriften hätte sie sich nicht umsetzen lassen, so Rietz.
Zum Brainstorming hat sich „Pool Potentials“ aber auch mit AkteurInnen wie den Prinzessinnengärten oder dem KünstlerInnen-Netzwerk Berlin Mondiale getroffen. Open-Air-Kulturevents auf den weiten Flächen der Liegewiesen seien ebenso vorstellbar wie die Nutzung von Gebäuden als temporäre Ateliers, so Benjamin Meurer.
Es gebe weiterhin die Idee, manche Bäder einfach durchgehend zu betreiben, so Meurer: „In München gibt es so etwas schon, mit dem Dantebad. Da stellt sich natürlich die Frage, wo die Energie herkommt, um die Becken zu beheizen.“ Aber auch die Überdachung mittels einer Traglufthalle sei vorstellbar. Im Kombibad Seestraße wird das seit dem vergangenem Jahr auch gemacht, um in der Pandemie mehr Raum zu haben.
„Einen Schwimm- oder Saunabetrieb finden auch wir ganz gut“, sagt Meurer für die Initiative. „Schließlich kommen in Schwimmbädern viele Menschen zusammen, die sich sonst in der Stadt kaum begegnen. Baden und Saunieren ist ja etwas Kulturübergreifendes.“
Bei Menschen, die in Berlin Verantwortung tragen und gerne mal Neues ausprobieren, rennt „Pool Potentials“ offene Türen ein. „Ich finde das sehr spannend“, sagt Florian Schmidt, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, mit dem die Initiative sich bereits zusammengesetzt hat. „Mein erster Impuls war: Das ist genau der richtige Ansatz, dass man in der verdichteten Stadt die Räume mehrfach nutzen muss.“ Er habe aber auch „gleich dazugesagt, dass das verwaltungstechnisch extrem kompliziert werden dürfte“.
Bäderbetriebe müssen mitspielen
Tatsächlich droht die Kampagne ins Leere zu laufen, wenn am Ende die Berliner Bäderbetriebe (BBB) nicht mitspielen. Die zeigen sich vorläufig extrem skeptisch: Man habe die jungen ArchitektInnen mit Infos über die Bäder unterstützt und finde die gesammelten Ideen „wirklich interessant“, sagt BBB-Sprecherin Claudia Blankennagel. „Gleichwohl halten wir sie zum jetzigen Zeitpunkt in unseren Bädern nicht für realisierbar.“
Das habe verschiedene Gründe, viele davon technischer Natur: Die Gebäude seien nicht winterfest und beheizbar, und aus den gefliesten Schwimmbecken könne das Wasser nicht abgelassen werden, da sonst Frostschäden drohten. Zufrieren dürfe es allerdings auch nicht: „Der Druck der Eisdecke würde Schäden an der Konstruktion verursachen.“
Auch die Grünanlagen könnten nur zwischengenutzt werden, wenn die Bäderbetriebe ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkämen, so Blankennagel – was bedeute, dass die gefüllten Becken eingezäunt werden müssten. „Das wiederum würde hohe Kosten verursachen.“ Insgesamt beziehe sich der „Versorgungsauftrag als BBB auf das Betreiben von Schwimmbädern“. Für eine Nutzung der Bäder darüber hinaus „steht aktuell kein Budget zur Verfügung“.
Kommt Geld, kommt Rat? „Pool Potentials“ hofft darauf, in der aktuellen Saison so viel Interesse an dem Projekt zu wecken, dass nach den Wahlen Gelder für eine Pilotstudie oder ein Pilotprojekt zur Verfügung gestellt werden.
Das sieht auch Florian Schmidt so, wobei für den Stadtrat die Ressourcen nicht aus den klammen Bezirkshaushalten kommen: „Das muss der Senat machen.“ Ein Pilotprojekt hielte auch er für den angemessenen Weg – „am besten sollte eine solche Verabredung gleich im nächsten Koalitionsvereinbarung getroffen werden“.
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