Vorratsdatenspeicherung: Unnötige Verunsicherungen

Bei Anruf Speicherung: Auch Daten von Berufsgeheimnisträgern werden gespeichert. Doch die Kritik der Berufsgruppen ist nur teilweise berechtigt

Informanten könnten künftig den Kontakt verweigern, fürchten Berufsgeheimnisträger Bild: dpa

BERLIN/FREIBURG taz Journalisten, Ärzte, Anwälte und Mitarbeiter von Beratungsstellen erhoben gestern schwere Vorwürfe gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung. Überall, wo anonyme Kommunikation erforderlich sei, sehen sie diese in Gefahr.

Der Schutz von Informanten, die sich an die Presse wenden, sei beeinträchtigt, sagte Christoph Fiedler vom Verband deutscher Zeitschriftenverleger. "In Belgien werden die Verbindungsdaten der Telekommunikation bereits zwangsweise gespeichert. Seither berichten Journalisten zunehmend, dass Informanten telefonischen Kontakt verweigern", erklärte Fiedler auf einer Pressekonferenz des AK Vorratsdatenspeicherung.

"Das ist ein Angriff auf das Arzt-Patienten-Verhältnis", schimpfte Martin Grauduszus von der Freien Ärzteschaft, "die Praxen sollen ausspioniert werden." Karl Lemmen von der Deutschen Aids-Hilfe sah die Grundlagen der HIV-Prävention in Frage gestellt, wenn es "keine anonymen Beratungsmöglichkeiten" mehr gebe. Gespeichert wird bei der Vorratsspeicherung allerdings nicht der Inhalt der Telefongespräche und E-Mails, sondern nur, wer wann mit wem wie lange kommuniziert hat. Diese Verkehrsdaten bekommt auch nicht der Staat, sondern sie bleiben beim Telefonanbieter. Die Polizei kann - wie bisher - nur darauf zugreifen, wenn sie aufgrund eines Verdachts ermittelt. Neu ist vor allem, dass die Verkehrsdaten vom Provider nicht mehr drei, sondern sechs Monate gespeichert werden. Außerdem muss der Provider sie in jedem Fall festhalten, während der Nutzer früher widersprechen oder in Flat-Rate-Tarife ausweichen konnte.

Wie bisher gilt also: Wenn gegen einen Verdächtigen ermittelt wird, können seine Telekommunikationskontakte festgestellt werden. Dabei kann herauskommen, dass er einen Pfarrer, einen Anwalt oder eine Drogenberatungsstelle angerufen hat. Es ist aber nach wie vor nicht möglich, auf gut Glück alle Anrufer einer Drogenberatungsstelle zu überprüfen. Wenn die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung nun solche Assoziationen wecken, verunsichern sie ihre Klientel mehr als nötig ist.

Der Bundestag wird nächste Woche, wahrscheinlich am Freitag, die Einführung der so genannten Vorratsdatenspeicherung beschließen. Telefon- und Internetanbieter sind dann verpflichtet, ein halbes Jahr zu speichern, wer mit wem wie lange telefoniert hat. Festzuhalten ist auch, wer wem wann eine E-Mail oder eine SMS geschrieben hat. Zudem muss gespeichert werden, wer wie lange im Internet gesurft hat.

Die Polizei kann dann im Verdachtsfall auf diese Verkehrsdaten zugreifen. Gesprächs- und Mail-Inhalte werden nicht protokolliert. Zu Abrechnungszwecken liegen die Verkehrsdaten bei den Firmen teilweise heute schon vor.

Dies ist Teil eines großen Gesetzespaketes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), das auch Rechte der Bürger verbessert. Schon lange ist es der Polizei erlaubt, den Inhalt von Telefongesprächen mitzuhören und E-Mails zu lesen; Bundesjustizministerin Zypries will jetzt aber sicherstellen, dass Betroffene häufiger von der Überwachung benachrichtigt werden und dass die Intimsphäre geschützt bleibt. CHR

Streit gibt es auch um den Schutz gegen die Polizeimaßnahmen. Hier sieht das Gesetzespaket von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) zwar einige Verbesserungen für Bürger und auch für die Berufsgeheimnisträger vor, doch vor allem Anwälten und Ärzten geht dies nicht weit genug.

So will Zypries erstmals einen besonderen Abhörschutz für Pfarrer, Anwälte und Ärzte in der Strafprozessordnung verankern. Als der Polizei vor Jahrzehnten das Mithören von Telefongesprächen erlaubt wurde, hatte noch niemand an eine solche Klausel gedacht, die bei später eingeführten Polizeibefugnissen wie dem Abhören von Wohnungen selbstverständlich war. Die Rechtsprechung hat allerdings schon immer berücksichtigt, dass die Berufsgeheimnisträger besonders geschützt werden müssen.

Die von Zypries geplante Regelung sorgt allerdings für Ärger, weil sie unnötig zwischen Geheimnisträgern erster und zweiter Klasse unterscheidet. So darf ein Verdächtiger gar nicht abgehört werden, wenn er einen Pfarrer, seinen Strafverteidiger oder einen Abgeordneten anruft. Wenn er dagegen mit einem sonstigen Anwalt, seinem Arzt oder einer Beratungsstelle telefoniert, gilt nur das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel, das heißt, die Interessen von Polizei und Geheimnisträgern werden miteinander abgewogen. Da aber das Verhältnismäßigkeitsprinzip überall gilt, wo der Staat handelt, ist das nur heiße Luft.

Zypries beruft sich darauf, dass Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz nur für Pfarrer, Strafverteidiger und Abgeordnete erhöhten Schutz fordern. Ein zwingender Grund für die Abstufung ist das aber nicht. Zumal es ohnehin keinen absoluten Schutz gegen Polizeimaßnahmen gibt: Wenn ein Pfarrer oder Strafverteidiger selbst einer Straftat verdächtigt wird, dann darf sein Telefon wie bislang schon natürlich abgehört werden.

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