piwik no script img

VorlesungsverzeichnisKrieg oder Straftat?

■ Ein Seminar an der Uni Bremen diskutiert die Attentate in den USA

Georg Mohr ist Philosophie-Professor an der Uni Bremen mit dem Schwerpunkt „Praktische Philosophie“, also Politik, Ethik und Rechtsphilosophie. Er leitet ein philosophisches Seminar mit dem Titel „New York - 11. September 2001. Terror, Krieg der Kulturen, gerechter Krieg?“

taz: Was kann die Philosophie zum Verständnis der Ereignisse des 11. September beitragen?

Georg Mohr: Die Philosophie hat sich immer mit Fragen befasst, die in der Wirklichkeit unter den Nägeln brennen: Was ist eine legitime Reaktion auf Unrecht? Was heißt Gerechtigkeit? Worin unterscheidet sich Selbstverteidigung von Strafe? Worin unterscheidet sich Strafe von Rache? All dies sind Fragen, die das menschliche Handeln betreffen und die Philosophie versucht, hierauf Antworten zu geben.

Es geht Ihnen um eine begriffliche Präzision?

Ja, genau. Es ist festzustellen, dass die Medien eine Sprache pflegen, die sich nicht sehr um begriffliche Klarheit bemüht. Zeitungen aller Couleur bedienen sich einer parteilichen Rhetorik. Dieser Rhetorik gehen wir im Seminar auf den Grund. Am meis-ten hat mich erschreckt, dass nach dem Anschlag überall die Rede von „Krieg“ war, obwohl es sich um eine Straftat handelte. Es geht darum, dass präzise gesprochen wird.

Ist das nicht Wortklauberei?

Nein, sicherlich nicht, denn Präzision im Denken und Sprechen ist die Voraussetzung für verantwortliches Handeln.

Der Philosophie wird ja allzu leicht nachgesagt, sie sei gesellschaftlich irrelevant. War es auch eine hochschulpolitische Entscheidung, dieses Seminar anzubieten, um die gesellschaftliche Bedeutung der Philosophie zu unterstreichen?

Dieses Seminar stellt ja keine Ausnahme dar. Wir bieten immer schon Veranstaltungen zu aktuellen Themen an, zum Beispiel zum Kosovo-Krieg oder zur Stammzellenforschung. Dass Philosophen etwas zur Lösung aktueller Probleme beitragen können, kommt nicht von ungefähr. Wir arbeiten an grundlegenden Fragen, die uns befähigen, in Situationen wie der aktuellen nach den Anschlägen in den USA Klärendes beizutragen.

Trotzdem wird bei der Philosophie gern gespart.

Die Philosophie wird leicht als ein Fach hingestellt, wo gekürzt werden kann. Solch eine Politik geht natürlich nach hinten los.

Sind ausschließlich Philosophiestudenten an Ihrem Seminar interessiert?

Nein. Wir haben teils Philosophiestudenten im Seminar, teils Studenten anderer Fächer.

Auch ausländische Studierende?

Einige ausländische Studierende sind auch dabei.

Heizt das die Diskussion an?

Es wird lebhaft diskutiert. Leider haben wir niemanden, der nicht schon so westlich denkt, dass er die Denkweise streng gläubiger Muslime vertreten könnte.

Interview: K. Borchardt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen