Vorhersage von Unwettern: Auf allen Kanälen
Auf Facebook, Youtube, über Wetter-Apps und Medien wurde vor den schweren Gewittern gewarnt. Und doch kam die Nachricht für viele zu spät.
![](https://taz.de/picture/106541/14/baum-11-6.jpg)
BERLIN taz | Jörg Kachelmann lehnte sich weit aus dem Fenster. Der Westdeutsche Rundfunk habe zu spät auf das Rekordunwetter hingewiesen, das in der Nacht zum Dienstag in weiten Teilen des Landes gewütet hatte, sagte der ehemalige ARD-Wetteransager am Mittwoch.
Deshalb müsse Intendant Tom Buhrow „einmal im Leben echte Verantwortung übernehmen“ und zurücktreten, forderte Kachelmann, der inzwischen einen Wetterkanal auf youtube betreibt. Er selbst habe bereits um acht Uhr früh via Twitter Unwetterwarnungen verbreitet.
Das Unwetter hatte weite Teile des Landes mit Sturmböen von bis zu 145 Stundenkilometern überzogen. Die Meteorologen zählten mehr als 20.000 Blitze. Fünf Menschen starben, weil Bäume umstürzten oder abgerissene Stromleitungen wild durch die Gegend schlugen.
Es entstand ein Schaden in zigfacher Millionenhöhe. Viele Bahnstrecken, Bahnhöfe und Autobahnen waren auch am Mittwoch nicht nutzbar. Vielerorts blieben Kitas und Schulen geschlossen, weil die Behörden die Wege nicht als sicher einstuften oder die Gebäude in Mitleidenschaft gezogen waren.
Eine Sprecherin des WDR wies die Anschuldigungen Kachelmanns zurück. Man habe bereits ab 6 Uhr morgens Warnungen gesendet und sehe deshalb kein Versäumnis. Tatsächlich sind Unwetterwarnungen eine wichtige staatliche Aufgabe, die in Deutschland in erster Linie der Deutsche Wetterdienst (DWD) übertragen bekommen hat. Er hat den gesetzlichen Auftrag, die Öffentlichkeit zeitnah zu informieren.
Sei der Facebook-Freund des DWD
Dem kommt er nach, indem er Katastrophenschutz und Medienanstalten mithilfe eines mehrstufigen Warnsystems automatisch über Unwetterentwicklungen informiert, zum Teil im Minutentakt. Dabei geht es schon frühzeitig los: „Bevor wir Unwetterwarnungen heraugeben, veröffentlichen wir auf unserem Rechner normalerweise 24 Stunden vorher Warnhinweise über heranziehende Gewitterfronten, die im Laufe des Tages ständig aktualisiert werden und gleichzeitig an die Medien und den Katastrophenschutz gehen“, sagte Gerhard Lux, Pressesprecher des DWD. Längst werden zusätzlich auch die sozialen Medien wie Twitter und Facebook eingebunden. Mobiltelefonbesitzer können auf der DWD-Serviceseite einen SMS-Service abonnieren.
So war es auch am Montag. „Zwar konnte man den Hagel, der über Köln und Umgebung einbrach, erst eine Stunde vorher ankündigen, doch Abonnenten unseres Newletters bekamen die Warnungen vor den Unwettern im Großraum Kölln zwei Stunden vorher auf ihr Handy oder ihren Computer geschickt“, so Lux. Die erste Warnung sei am Freitag über den DWD-Youtube-Kanal verbreitet worden. Am Wochenende hätten 55.000 Menschen die Entwicklungen verfolgt. „Und auf Facebook konnte man sich auch regelmäßg über die örtlichen Entwicklungen des Unwetters informieren.“
Neben dem Deutschen Wetterdienst haben auch private Anbieter Wetterapps und Ticker entwickelt, die die vom deutschen Wetterdienst bereitgestellten Warnungen digital und möglichst zeitnah zu verbreiten versuchen. Dazu gehört die Wetterapp von Kachelmann. „Im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden, wie die Unwetterankündigungen am Montag verlaufen sind“, resümiert Lux.
Zu viel Ahnung vorgetäuscht
Eberhard Reimer, Professor am Institut für Meterologie an der Freien Universität, sieht das anders. Seiner Meinung nach, warnen Experten in Deutschland oft zu oberflächlich und pauschal vor Unwettern. Er bezog sich dabei aber nicht auf den DWD, sondern auf die Meldungen der Radio- und Fernsehsender, die suggerierten, man wisse genau Bescheid.
Hier solle man generell ausführlicher über Wetterlagen berichten und im regionalen Raum mehr Flexibilität lassen. „Vor allem Starkregen sind häufig sehr punktuell und vorab schwer zu lokalisieren. Wir werden nie so weit sein, dass wir vorhersagen, morgen um 12.00 Uhr wird es in Berlin-Wilmersdorf einen dicken Schauer geben“, so der Professor.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören