■ Vorgespult: Breitbeinige Prosa
„Kanak Sprak“, ein Hörspiel – Sonntag, 0.05 Uhr, DLR
Seit Udo Reiter vorletzte Woche befand, die kleinen ARD-Sender seien überflüssig, ist meine Akustik versaut. „Würde mir auch das hier geboten?“ piepst es mir durch jede ausgefallene Sendung. Ob z.B. „Kanak Sprak“ noch eine Chance hätte? Schließlich ist dieses kontroverse Hörspiel von einer sogenannten Minderheit gemacht und auch für geübte Hörer keine leichte Kost.
„Mißtöne vom Rande der Gesellschaft“, nennt Autor Feridun Zaimoglu seinen Dokutext, gesammelt aus Gesprächen mit Vertretern seiner türkischen Altersgruppe. (Siehe auch taz vom 18. 2.) Sie reden ein merkwürdiges „Monsterdaitsch“, ihre „Kanak Sprak“ eben, und es geht auch sonst recht sperrig zu in Deutschlands türkischer Subkultur. „Wir sind keine lieben alileins!“, rappen die Jungmänner der zweiten und dritten Generation. Und verzichten selbstbewußt auf kuschende Anpassung. Sie pochen auf ihr Existenzrecht und verbitten sich Auflagen von „alemannischer“ Seite. Das steht ihnen zu, denn sie sind keine „Gäste“ mehr! Statt dessen wütende, breitbeinige Kerls, die sich seit ein paar Jahren liebevoll mit „eh, Kanake!“ anpöbeln. Und triumphierend funkeln, wenn sie den alarmierten deutschen „Liberalenblick“ erhaschen. Softe Solidarität ist ihnen zuwider, und so richtig wissen sie auch selbst nicht, was sie wollen. Nur erst mal sagen, daß sie da sind – so, wie sie sind. Selbstbehauptung und Systemkritik sind die Leitmotive, wie ihr Chronist es sieht. So knallen sie uns Deutschen ihre Weltsicht vor die Füße: „das ganze land ist von ficks verseucht.“ Und auch die Eltern kriegen ihr Fett: „unsre ollen väter zocken in den kneipen oder tragen bärte und gehen in die moschee, unsre mütter werden fett und basteln am essen...“ Ihre Worte sind so wild, wie es der Pressetext verspricht. Dem vielfach beschworenen Streetlife-Rhythmus aber hat die feinfühlige Regie um ein Haar den Reißzahn gezogen. Gaby Hartel
Außerdem: Vorführung im Hackeschen Hoftheater Berlin in Anwesenheit von Autor, Rapper und Macher: 23. Februar, 21 Uhr
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