Vorbereitung für Frauenfußball-EM: Gute Laune mit Charlie Brown
Der Bundestrainerin kommt die Europameisterschaft in ihrem Reformeifer zu früh. Das deutsche Spiel soll schöner werden, aber auch erfolgreich.
Das Lachen kommt von Herzen. Eine Eigenschaft, die Steffi Jones sich bewahren wird – ganz egal, welche Rolle die gebürtige Frankfurterin noch in ihrem bewegten Leben bekleidet. Und so prustet sie mal laut los, wenn die Bundestrainerin erklärt, welche Comic-Figur sie sich selbst zugeordnet hat. „Charlie Brown natürlich, den fand ich schon als Kind klasse.“ Und passt ja auch bestens, findet die 44-Jährige. Es war zuvorderst ihre Idee, im Hinblick auf die bevorstehende EM in den Niederlanden (16. Juli bis 6. August) jeder der 29 Spielerinnen und jedem Mitarbeiter aus dem Team hinter dem Team eine Figur zuzuordnen.
Kapitän Dzsenifer Marozsan ist beispielsweise jetzt Robin Hood, weil sie sich so aufopferungsvoll für das Team einsetzt, Anna Blässe wird zum Road Runner, weil sie „abgeht wie ein Zäpfchen“ (Jones), und Lena Goeßling geht als Cinderella, weil das äußere Erscheinungsbild ihr wichtig ist. Pressesprecherin Annette Seitz muss übrigens mit Karla Kolumna, der rasenden Reporterin aus Bibi Blocksberg, leben. Die Figuren hängen dort, wo die Spielerinnen ihre Trainingsklamotten abholen – nicht viel anders ist es in den meisten Kindergärten.
Der Effekt ist derselbe. „Da fällt der eine oder andere Spruch“, sagt Jones, die nichts anderes will. Bei aller Ernsthaftigkeit, die für die insgesamt nur 15 Trainingstage Vorbereitung eingefordert werden, braucht es auch Spaß. Am Dienstag trifft sich das Aufgebot in erschaffener Gute-Laune-Haltung zum zweiten Trainingslager in Kaiserau. Auch die viertägige Maßnahme in der Sportschule wird weitgehend abseits der Öffentlichkeit ablaufen, so lange Confed Cup und U21-EM der Männer die Aufmerksamkeit absorbieren.
Aber spätestens mit dem ersten und einzigen Testspiel am 4. Juli in Sandhausen gegen Brasilien könnte sich der Fokus allmählich zu den Frauen verlagern. Jones weiß, dass sich viele Kameras dann vor allem auf sie richten, und sie arbeitet auch die meisten Interviewanfragen ab.
Bei der ersten Vorbereitungsmaßnahme in der Klosterpforte in Marienfelde, nach der Jones ein erfreuliches Fazit zog („Alle haben super mitgezogen“), überraschte die einstige OK-Präsidentin und DFB-Direktorin nicht nur mit erstmaligen Yoga-Einheiten, sondern auch mit einer neuen Sprachregelung, seit sie als Erbin der titelträchtigen Ära Silvia Neid antrat. Kernbotschaft: „Wir sind mitten in einem Veränderungsprozess, in dem die Europameisterschaft eigentlich zu früh kommt.“
Die Erwartungen dämpfen
Eine bewusste Rhetorik, um einerseits das erklärte Ziel – den neunten EM-Triumph – nicht kassieren zu müssen, andererseits aber die durch den Olympiasieg 2016 fast ins Uferlose gestiegene Erwartungshaltung herunterzudimmen. Motto: Seht her, wir stellen vieles auf den Kopf, aber können keinen Automatismus im Einsammeln von Trophäen versprechen. Im Idealfall gelingt Jones in ihrem neuerdings bevorzugten 4-4-2-System mit der Mittelfeldraute beides: schöner spielen und erfolgreich bleiben.
Der Mannschaftsrat, bestehend aus Torhüterin Almuth Schult, Abwehrspielerin Babett Peter, Kapitänin Dzsenifer Marozsan und Stürmerin Alexandra Popp – dieses Quartett hat Jones bestimmt – sowie Sara Däbritz als Vertreterin der jungen Garde, hat in allen Fragen mitreden dürfen.
Die Bereitschaft und Lust auf Mitbestimmung sollen Markenkern eines Ensembles werden, das bestenfalls auch auf dem Platz viele Freiheiten auslebt. Gerade in der Offensive könne gefühlt jede auf allen Positionen spielen, glaubt Popp vom VfL Wolfsburg.
Ein großes Manko war bislang in den Spielen unter Jones’ Regie allerdings die nachlässige Rückwärtsbewegung. Daher will die Bundestrainerin vor allem diese Überzeugung ihren Spielerinnen noch näherbringen: „Sie müssen verstehen, dass Defensive auch Spaß machen kann.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wohnungslosigkeit im Winter
Krankenhaus schiebt Obdachlosen in die Kälte