Voraussehbare Parlamentswahlen: Iran bleibt in der Hand der Mullahs
Nachdem viele Reformer an der Kandidatur gehindert wurden, gewinnen die Hardliner im Iran. Ihren Unmut drückten die Wähler durch geringe Wahlbeteiligung aus.
BERLIN taz Bei den Parlamentswahlen haben die Konservativen in der iranischen Hauptstadt Teheran überraschend gut abgeschnitten. Wie das Staatsradio am Montag berichtete, erhielten sie 19 der 30 Sitze. Landesweit haben laut offiziellen Angaben haben mehr als siebzig Prozent der Wähler für den Block der Konservativen gestimmt. Der Rest der Stimmen verteilte sich auf Reformer und Unabhängige. Insgesamt kamen die konservativen Kräfte auf 132 der 290 Sitze im Parlament, die Reformer auf 31 Sitze, 39 gingen an unabhängige Kandidaten. Mehr als 70 Sitze werden erst in einer Stichwahl im April oder Mai vergeben.
Das Ergebnis war nicht überraschend, da die absolute Mehrheit der Konservativen von vornherein durch die Ablehnung von mehr als 2.500 Bewerbern gesichert worden war. Achtzig Prozent der Abgelehnten gehörten dem Block der Reformer an. Einmalig in der Geschichte der Islamischen Republik war auch die direkte Einmischung des Revolutionsführers Ali Chamenei, der den Wählern die Kandidaten anempfahl, die die Regierung von Mahmud Ahmadinedschad unterstützen. Interessant bei den Wahlen waren deshalb vor allem die Wahlbeteiligung und das Kräfteverhältnis im Block der Konservativen.
Nach offiziellen Angaben lag die Wahlbeteiligung landesweit bei sechzig Prozent, in Teheran bei 40 Prozent. Unabhängige Beobachter halten diese Angaben für zu hoch gegriffen. Aber selbst diese Zahlen verdeutlichen die Unzufriedenheit breiter Teile der Bevölkerung mit dem herrschenden Regime.
Bei den Konservativen stehen sich die Anhänger Ahmadinedschads und seine Kritiker gegenüber, die eine offenere Wirtschaftspolitik und eine moderatere Außenpolitik fordern. Beide Fraktionen haben sich nach den Wahlen als Sieger bezeichnet. Ali Asghar Zarei von der "Einheitsfront der Prinzipientreuen", die die Regierung unterstützt, erklärte, die Front habe einen "großen Sieg" errungen. Demgegenüber versicherte der Sekretär der regierungskritischen "Umfassenden Koalition der Prinzipientreuen", im nächsten Parlament würden die Kritiker der Regierung die Mehrheit innehaben. Sollte die Regierung ihren bisherigen, "in einigen Bereichen umstrittenen Kurs" fortsetzen, werde sich das Parlament dem entgegenstellen.
Wie das Kräfteverhältnis tatsächlich aussieht, wird sich schon bei der Wahl des Parlamentspräsidenten herausstellen. Wunschkandidat der Regierungstreuen ist der bisherige amtierende Präsident Haddad Adel. Die konservativen Regierungskritiker ziehen dagegen den ehemaligen Atomverhandlungsführer Ali Laridschani vor. Ein Erfolg Laridschanis würde auch die Weichen für die Wahl des Staatspräsidenten im nächsten Jahr stellen. Ebenso wie die Anhänger der Regierung sind die kritischen Konservativen zwar uneingeschränkt loyal zum System des Welajat-e Faghieh (der absoluten Herrschaft der Geistlichkeit). Jedoch streben sie eine andere Wirtschafts- und Außenpolitik an. Sollten sie tatsächlich im nächsten Parlament die Mehrheit haben, könnten sie möglicherweise den Radikalen um Ahmadinedschad große Steine in den Weg legen.
BAHMAN NIRUMAND
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid