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Vor der Wahl in IrlandDie irische Groko muss zittern

Ein Eklat der irischen Partei Fine Gael lässt ihre Umfragewerte absacken. Werden die beiden Regierungsparteien auf Sinn Féin angewiesen sein?

Irland hat die Wahl: am 29.11.2024 sind Parlamentswahlen

Dublin taz | Die Iren leben demnächst im Schlaraffenland, wo alle ein Dach über dem Kopf und genug zu Essen haben. Sie müssen am Freitag nur die richtige Partei wählen. Aber welche ist die richtige Partei? Alle versprechen immense Investitionen in den Wohnungsbau und ins Gesundheitssystem, so dass manche Wähler entnervt bemerkten, dass man sie mit ihrem eigenen Geld bestechen wolle.

Ein Blick auf die Versprechen vor den Wahlen 2020 zeigt, was davon zu halten ist. Mietpreisbremse und Bereitstellung erschwinglicher Wohnungen, Bekämpfung der Klimakrise, Steuerreform und Verbesserungen des Gesundheitswesens, um die langen Wartezeiten auf Operationen zu verkürzen, klangen zu gut, um wahr zu werden. Nicht einmal die versprochene App zur Meldung von Schlaglöchern wurde eingeführt.

Die beiden konservativen Regierungsparteien Fianna Fáil („Soldaten des Schicksals“) und Fine Gael („Stamm der Gälen“) haben das Land seit der Gründung vor gut hundert Jahren abwechselnd regiert, mussten zuletzt aber mangels absoluter Mehrheit eine große Koalition eingehen.

Diese liegen nun Umfragen zufolge Kopf an Kopf mit der größten Oppositionspartei Sinn Féin („Wir selbst“), dem ehemaligen politischen Flügel der inzwischen aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Alle drei kommen jeweils auf rund 20 Prozent – für Fine Gael ein Schock, lag man doch vor zwei Wochen noch bei 25 Prozent. Aber dann leistete sich Premierminister Simon Harris einen Fehltritt. Er bügelte eine Sozialarbeiterin, die sich über die Regierungspolitik beschwerte, bei einem Wahlkampfauftritt brüsk ab.

Kein grüner Zweig für die Grünen

Sinn Féin hat sich hingegen vom Tief bei den Europawahlen im Juni, bei denen die Partei auf 12 Prozent abgesackt war, etwas erholt, wohl weil sie auf einen harten Kurs gegenüber Asylbewerbern eingeschwenkt ist.

Die Grünen, der kleine Koalitionspartner der beiden konservativen Parteien, werden bei den Wahlen wohl auf keinen grünen Zweig kommen. Die Steigbügelhalter sind bisher noch immer zwischen den großen Parteien zerrieben worden.

Ob es ohne sie für eine große Koalition reicht, ist zweifelhaft. Sowohl Micheál Martin von Fianna Fáil als auch Regierungschef Simon Harris von Fine Gael schlossen eine Koalition mit Sinn Féin aus. Allerdings hatte Martin vor den vergangenen Wahlen auch vehement eine Koalition mit Fine Gael ausgeschlossen. Es gibt eine oft benutzte Standardformulierung, mit der man jede Kehrtwende erklären kann: „Zum Wohle des Landes.“

Bei den Wahlen treten auch 60 einwanderungsfeindliche, rechtsextreme Kandidaten an. Das sind weniger als 10 Prozent der 685 Kandidaten, aber deutlich mehr als bei den letzten Parlamentswahlen, als die extreme Rechte nicht mehr als eine Randerscheinung war. Die Parteien, die diesmal ein Bündnis eingegangen sind, wollen das mäßige Ergebnis, das sie bei den Kommunalwahlen im Juni erzielt haben, verbessern.

Abschiebungen in großem Stil

Die Einwanderung, damals noch Thema Nummer Eins bei den Wählerinnen und Wählern, ist allerdings inzwischen an die vierte Stelle gerückt. Das dürfte daran liegen, dass die Koalitionsregierung ihren Kurs gegen Asylbewerber verschärft hat und im großen Stil abschiebt. Im vergangenen Monat beantragten nur 1.053 Menschen in Irland Asyl, was einem Rückgang von 48 Prozent seit April letzten Jahres entspricht.

Wann das amtliche Wahlergebnis feststehen wird, ist ungewiss. Beim irischen Wahlsystem, einer Sonderform der proportionalen Repräsentation, macht man kein Kreuzchen, sondern nummeriert die Kandidaten in der Reihenfolge der Präferenz.

Hat ein Bewerber die erforderliche Quote überschritten, werden die überschüssigen Stimmen auf die Kandidaten zweiter Wahl übertragen. Genauso verfährt man mit den Stimmen der abgeschlagenen Kandidaten. Deshalb müssen die Stimmen manchmal mehr als 20 Mal gezählt werden. 2020 dauerte es eine Woche, bis der letzte Parlamentarier feststand.

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1 Kommentar

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  • Am Ende beißt sich der Hund doch immer den eigenen Schwanz ab. Das ist zwar weder logisch noch von James Joyce aber leider folgerichtig.