Vor der Männerfußball-EM: Mehr als ein Spiel in Moldau
Die Ukraine gewinnt ihr letztes Testspiel gegen die Auswahl der Republik Moldau. Warum ein unbedeutender Kick ein politisches Ereignis sein kann.
Bevor das Spiel begann, haben sich die Mannschaften zu einer Gedenkminute am Mittelkreis aufgestellt. Die Schweigeminute war für die beiden Teams gewiss mehr als ein eingeübtes Trauerritual. Gedacht wurde der Opfer des russischen Überfalls auf die Ukraine. Auch in Moldau weiß man nur allzu gut, was der russische Imperialismus anrichten kann. Transnistrien, ein schmaler Streifen zwischen dem Fluss Dnjestr und der ukrainischen Grenze im Osten des Landes, völkerrechtlich Teil der Republik Moldau, hatte sich 1990 für unabhängig erklärt und unter die militärische Obhut Russlands begeben.
„Frieden“ – in den Ecken des Stadions in Moldaus Hauptstadt Chișinău hingen wie üblich bei Spielen, die unter dem Dach der Europäischen Fußballunion Uefa stattfinden, große Tafeln mit diesem Wort. Der eigentlich hilflosen Friedensbotschaft eines Fußballverbands kommt an einem Ort wie diesem plötzlich echte Bedeutung zu.
Klar, der ukrainische Nationaltrainer Serhij Rebrow sagte nach dem Spiel, was ein Coach eben sagt – dass man das Spiel analysieren müsse, dass er froh sei, wenn man ohne größere Blessuren durch die Testspiele gekommen sei, dass es jetzt wichtig sei, mit guter Stimmung in die EM zu gehen. Er hatte aber auch eine Botschaft für die Fans in der Ukraine: „Ich habe immer gesagt, wie großartig es ist, dass die Ukraine sich mitten im Krieg für dieses Event qualifizieren konnte. Und wir werden alles dafür geben, um das Land bei der EM angemessen zu repräsentieren.“
Auch der moldauische Fußball spielt in einer andauernden Ausnahmesituation. Serienmeister ist mit Sheriff Tiraspol ein Team aus Transnistrien. Der Klub, der in der moldauischen Liga spielt, als hätte sich die Provinz nie für unabhängig erklärt, hat es sogar mal in die Champions League geschafft und da 2021 bei Real Madrid mit 2:1 gewonnen. Dass der Usebke Jasur Jachschibojew und der Luxemburger Sebastien Thill damals für Tiraspol getroffen haben, ist längst vergessen. Die Geschichte von Sheriff Tiraspol wird immer noch erzählt. Mit Fußball hat sie nur am Rande etwas zu tun. Andreas Rüttenauer
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