Vor der Cebit 2011: Dichte Wolken über Hannover
Die Cebit ist nicht mehr das Riesenereignis. Die Messe der IT-Branche setzt auf Netzwerke und will Unternehmen wie Privatanwendern Dienste aus dem Netz nahebringen.
BERLIN dpa | Wenn am Dienstag die Computermesse Cebit eröffnet, interessiert sich kaum jemand für Computer. Alle Blicke richten sich auf die Cloud, das zentrale Thema der Messe. Die Vorstellung einer Daten-Wolke verspricht viele Möglichkeiten für eine Informationstechnik, die Unternehmen und Privatanwendern das Leben leichter machen will.
"Aus Sicht des Anwenders ist die Cloud nichts anderes als ein Service aus der Steckdose", erklärt der Deutschland-Chef von Hewlett-Packard, Volker Smid. Aus der Perspektive des IT-Anbieters ist die Sache schon komplexer: Riesige Server-Farmen stellen die Infrastruktur bereit für ganz unterschiedliche Dienste von der Prozessorleistung bis zur speziellen Software-Anwendung. Das Geschäft mit der Informationstechnik im Unternehmen übernimmt Erfolgsrezepte aus der Welt der Privatanwender.
Beim US-Konzern Salesforce.com sagt Zentraleuropa-Chef Joachim Schreiner: "Unsere Verkaufsplattform App Exchange arbeitet ähnlich wie der App Store von Apple. Dort gibt es in einer Web-2.0-Umgebung über 1000 Business-Applikationen als Software as a Service (SaaS)." Neben dem Modell der Apps wirkt vor allem Facebook als Vorbild. "Daheim tauschen die Menschen mit Anwendungen wie Twitter oder Facebook Informationen aus und arbeiten zusammen, ohne dies eine einzige Minute lernen zu müssen", sagt Schreiner im dpa-Gespräch. "Für uns ist es unverständlich, warum das im Unternehmen nicht gehen soll."
Das von Salesforce entwickelte Soziale Netzwerk heißt Chatter. In dieser Anwendung folgen die Mitarbeiter Datenobjekten - das können neben Personen auch Dokumente, Support-Anfragen, Vertriebschancen oder Anwendungen sein. Sobald sich der Status eines Datenobjekts verändert, wird der Mitarbeiter benachrichtigt, sei es am Arbeitsplatz oder auch auf mobilen Geräten. "Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit hatten wir solche Fähigkeiten, miteinander zu kommunizieren und Informationen zu verwalten", sagt der Geschäftsführer des kanadischen Content-Management-Spezialisten Open Text, Tom Jenkins.
Dabei sei ein Wandel vom Google-Modell zum Facebook-Modell zu beobachten - bei Facebook stammten die Informationen nicht mehr aus einer Datenbank, sondern von anderen Menschen. "Jetzt werden wir von Kunden gefragt, wie sie das Facebook-Modell der Kommunikation ins Unternehmen bringen können." Open Text hat dafür die Software Social Workplace entwickelt. Cloud plus Social, so lautet auch das Motto beim Darmstädter IT-Unternehmen Software AG. Unter dem Schlagwort "extreme collaboration" sollen über organisatorische und geografische Grenzen hinweg Menschen und ihre Kompetenzen zusammengeführt werden, um gemeinsam Innovationen herbeizuführen.
Private Nutzer von Computern und Smartphones benutzen Cloud-Dienste oft bereits, ohne sich dessen bewusst zu sein. Klassische Cloud-Anwendungen sind die Web-Mail, aber auch Software für die Online-Bearbeitung von Dokumenten aller Art, von Texten bis Fotos. Nach Google forciert jetzt auch Microsoft die private Software-Nutzung im Netz. Bereits etabliert sind zudem Cloud-Dienste für das Speichern persönlicher Daten. Neben Google und Microsoft gibt es hier auch kleine leistungsfähige Anbieter wie dropbox.com.
Das Berliner Unternehmen Strato wirbt zur Cebit für seinen Online-Speicher HiDrive - damit könne "jeder einen guten Eindruck vom Arbeiten und Leben in der Cloud gewinnen", erklärt Strato-Chef Damian Schmidt. Hewlett-Packard verbindet den privaten Drucker mit der Cloud: Das Gerät hat eine E-Mail-Adresse, an die man zum Beispiel ein Foto schicken kann. Ist der Drucker eingeschaltet, gibt er das Bild sofort aus. Das Leben und Arbeiten mit der Cloud lasse sich auf einer Messe gut vermitteln, sagt HP-Manager Smid. "Man braucht keine Cebit mehr, um einen PC zu zeigen." Hewlett-Packard verzichtet daher schon seit mehreren Jahren auf den repräsentativen Messestand.
Diesmal aber soll den Besuchern unter dem Dach der Cebit-Schau "Cloud Computing World" das breit aufgestellte Cloud-Modell aus Hardware, Software und Diensten in seinem Zusammenspiel präsentiert werden. "Klassische Messen sind Teil einer Vergangenheit, zu der wir nicht mehr gehören", meint auch Salesforce-Manager Schreiner. Dennoch ist das Unternehmen in diesem Jahr zum ersten Mal in Hannover dabei und erklärt diesen "Testballon" mit dem veränderten Ansatz der Messe: "Die Cebit hat sich ein neues Konzept gegeben und will einen Schwerpunkt aufs Networking legen, Menschen zusammenbringen und Themen in den Vordergrund stellen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen