: „Vor der Automobilindustrie eingeknickt“
Wer ernsthaft das Klima schützen will, darf keine Spritsäufer mehr zulassen, sagt Verkehrsexperte Gerd Lottsiepen
taz: Herr Lottsiepen, die EU-Kommission will die gesetzlichen Festlegungen von Verbrauchsgrenzen für Pkw offenbar laxer handhaben. Hat sich die Automobillobby durchgesetzt?
Gerd Lottsiepen: Ja, die Politik ist anscheinend vor den Interessen der Hersteller eingeknickt. Vor allem die deutsche Automobilindustrie hat ihre Interessen durchgesetzt. Die hat viel Geld mit immer größeren und schwereren Autos verdient. Und sie hätte gerne, dass das so weiterläuft.
Aber will der Kunde das nicht so? Geländewagen sind beliebter als 3-Liter-Autos.
Stimmt, 2005 hat VW die Produktion des 3-Liter-Autos eingestellt, ein Jahr später brachte Audi einen Geländewagen mit bis zu 350 PS auf den Markt. Aber würden die Kunden solche Spritsäufer auch kaufen, wenn nicht mit immensem Aufwand Bedürfnisse künstlich erzeugt würden? Der Werbeetat für die 3-Liter-Autos war im Vergleich dazu lächerlich.
Nun gibt es aber große und kleine Autos. Kann man die über einen Kamm scheren?
Das will doch keiner. Autos sind unterschiedlich, und es muss verschiedene Grenzwerte geben. Aber der Durchschnittswert darf am Ende nicht über 120 Gramm CO2 pro Kilometer liegen. Wer das erreichen will, darf keine Autos zulassen, die 15 oder 20 Liter verbrauchen.
Worauf soll sich dieser Durchschnittswert beziehen? Auf den Hersteller oder die gesamte europäische Flotte?
Was die EU in diesem Punkt will, ist noch nicht klar. Ich persönlich würde die jeweiligen Mitgliedstaaten zur Verantwortung ziehen. Deutschland könnte zum Beispiel durch eine andere Kfz-Steuer dafür sorgen, dass die hier zugelassenen Fahrzeuge im Schnitt den Grenzwert einhalten.
Was ist davon zu halten, dass auch spritsparende Reifen oder umsichtiges Fahren in die Verbrauchsobergrenze eingerechnet werden sollen?
Das gehört nicht in die Debatte um Grenzwerte. Die Automobilindustrie muss dafür sorgen, dass ihre Autos die Grenzwerte erreichen – nicht mehr und nicht weniger. Dazu müssen sie möglicherweise auch Autos mit Spritsparreifen ab Werk ausliefern. Sie darf ihre Verantwortung nicht auf den Verbraucher abwälzen. INTERVIEW: S. KOSCH
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