piwik no script img

Vor den Wahlen in KeniaHistorisches Bündnis soll versöhnen

Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta kürt seinen ewigen Widersacher: Raila Odinga wird sein Wunschnachfolger für die Wahlen im August.

Der neue und der alte Präsident? Raila Odinga (links) und Uhuru Kenyatta am Samstag in Nairobi Foto: Monicah Mwangi/Reuters

Berlin taz | In Kenia steht einer der dienstältesten Oppositionsführer der Welt nun doch vor dem Sprung an die Macht – mit dem Segen der Regierung. Der 77-jährige Raila Odinga, der seit 1997 alle Wahlen in Kenia verloren hat, wurde am Samstag zum gemeinsamen Kandidaten seiner ODM (Orange Democratic Movement) und der Regierungspartei „Jubilee“ des amtierenden Präsidenten Uhuru Kenyatta für die Präsidentschaftswahl am 9. August gekürt.

Der ewige Oppositionsführer tritt nun als Kandidat der Wahlallianz „Azimio La Umoja“ (Streben nach Einheit) an, die 24 politische Parteien mit 70 Prozent des kenianischen Wahlvolkes vereint.

Für Kenia ist das eine historische Wende, nachdem Odingas Niederlagen bei den Wahlen von 2007 und 2017 das Land zweimal an den Rand eines Bürgerkrieges geführt hatten. Sein Wahlsieg im fünften Anlauf 2022 wäre für Kenia in mehrfacher Hinsicht eine Sensation. Odinga wäre der erste Präsident Kenias aus der Luo-Volksgruppe aus dem Westen des Landes am Victoria-See – seit der Unabhängigkeit 1964 sind Politiker der Volksgruppen der Kikuyu und Kalenjin aus dem zentralen Hochland an der Macht.

Odinga verkörpert allerdings nicht nur einen ethnischen, sondern auch einen politischen Wechsel. Denn während alle bisherigen Präsidenten eher zum konservativen Lager zählten, sieht sich Odinga als Sozialist, der Kenias extreme soziale Ungleichheit beenden will. Er hat gerade aus dieser Haltung heraus auch immer wieder politische Konfrontationen herbeigeführt, die er am Ende verlor.

Angst vor neuer Konfrontation führt zu Bündnis

Die Aussicht auf eine neue blutige Konfrontation in Kenia bei den Wahlen 2022, wenn Kenyatta nach zwei turnusmäßigen Amtszeiten nicht mehr antreten darf, brachte offenbar frühzeitig die Gemüter zur Räson. Schon 2018 besiegelten Kenyatta und Odinga mit einem historischen „Handschlag“ ihre Versöhnung.

Hilfreich dabei ist, dass sie die Söhne der beiden wichtigsten politischen Führer Kenias bei der Unabhängigkeit 1964 sind: damals wurde Jomo Kenyatta Präsident, Oginga Odinga Vizepräsident. Der Bruch zwischen den beiden, bei dem Kenyatta die Oberhand behielt, führte Kenia nach wenigen Jahren in die Diktatur. Wenn der Kenyatta-Sohn nun die Macht an den Odinga-Sohn übergibt, schließt sich ein Kreis in Kenias Politik.

So weit ist es allerdings noch nicht, auch wenn viele Medien die Wahlen im August jetzt nur noch für eine Formsache halten. Der aktuelle Vizepräsident William Ruto von der Kalenjin-Volksgruppe tritt selbst an – als Oppositionskandidat, obwohl er jetzt noch Vizepräsident ist, gegen den Regierungskandidaten Odinga, obwohl der jetzt noch Oppositionschef ist.

Das könnte noch zu Turbulenzen führen. Und der Kenyatta-Odinga-Deal hat, so fürchten manche Beobachter, einen Preis: dass ein Präsident Odinga darauf verzichtet, seinen Kampf gegen Korruption auch auf Strafverfolgung der Korruption der Kenyatta-Ära auszuweiten.

Verfassungsreform mit Fragezeichen

Die größte Unsicherheit betrifft eine von Kenyatta betriebene Verfassungsreform, die er vor der Präsidentschaftswahl per Referendum durchdrücken wollte. Statt eines starken exekutiven Präsidenten nach US-Muster bekäme Kenia dann einen starken Premierminister. Als Kenyatta 2021 seine Unterstützung für Odinga als Präsident andeutete, galt als gesichert, dass er selbst dieser starke Premierminister werden wollte. Dann aber kippten die Gerichte die Reform.

Das endgültige Verfahren vor dem Obersten Gericht läuft noch. Von seinem Ausgang dürfte abhängen, ob die neue historische Wahlallianz wirklich Bestand hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!