Vor den Wahlen in Ghana: Afrikas Musterland
Ghana erlebt seit Jahren einen Wirtschaftsaufschwung. Mit friedlichen Wahlen will das Land seinen Ruf als Vorbild für den Kontinent festigen.
"Bei uns in Ghana wird es keine Zustände wie in Kenia geben", sagt Kofi Apraku. Im Dezember vorigen Jahres folgte auf die Wahlen in Kenia ein Beinahebürgerkrieg mit 1.500 Toten; vorige Woche endeten die Kommunalwahlen in Nigeria mit Unruhen und 400 Toten. Der Wahlkampfleiter der ghanaischen Regierungspartei aber ist zuversichtlich, dass sich derartiges in seinem Land nicht wiederholen wird.
Auch sein Kontrahent, Elvis Afriyie-Ankrah von der Opposition, will jede Gewalt im Zuge der Wahlen unterbinden. Tatsächlich gibt sich das gut 23 Millionen Einwohner zählende Land bei den am Sonntag bevorstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sehr souverän.
"Wir haben eine wirklich freie Presse und jeder redet zum Beispiel in den Radio-Talkshows, wie er will", sagt ein Fahrer in der Hauptstadt Accra und gibt damit eine verbreitete Zufriedenheit wieder. Anders als in vielen anderen afrikanischen Ländern, die an Wahltagen ihre Grenzen schließen, werden die ghanaischen Grenzen offen bleiben - ein deutliches Zeichen dafür, dass Ghanas Führung die Demokratie als stabil ansieht.
"Die Zivilgesellschaft hat tausende Wahlbeobachter entsandt, so dass uns kein noch so kleiner Wahlbetrug entgehen wird", sagt auch Aborampah Mensah vom "Zentrum für demokratische Entwicklung", das zusammen mit einem Dutzend weiterer ghanaischer Nichtregierungsorganisationen die Wahlen beobachtet. Gewissenhaft haben Mensahs Mitarbeiter in den vergangenen Monaten Zwischenfälle dokumentiert. Sie zählten zwischen zwei und drei Dutzend kleinere Vorkommnisse pro Monat, wobei sie allerdings schon banale Dinge wie das Abreißen von Wahlplakaten mitzählten. Das Schlimmste bislang waren Rangeleien.
In den Tagen nach den Unruhen im nigerianischen Jos riefen Ghanas Medien nochmals eindringlich zu friedlichen Wahlen auf, ebenso die beiden aussichtsreichen Kandidaten für das Präsidentenamt, Nana Akufo-Addo von der Regierungspartei Neue Patriotische Partei (NPP) und Atta Mills vom oppositionellen Nationalen Demokratischen Kongress (NDC) auf einer gemeinsamen Veranstaltung.
Das heißt nicht, dass es in Ghana keinen Wahlkampf gebe. Beide großen Parteien kämpfen um jede Stimme. Die regierende NPP unter dem weltweit respektierten Präsidenten John Kufuor hatte vor acht Jahren den Sprung an die Macht geschafft. Es war ein Neuanfang für Ghana nach Jahrzehnten Herrschaft des NDC, zuletzt mit dem per Wahl zum Demokraten geläuterten einstigen Putschisten Jerry Rawlings.
Die Botschaft, dass die NPP Ghana in eine neue Ära geführt hat, könnte die Regierungspartei auch dieses Mal über die Ziellinie retten. Denn der NDC steht noch immer unter dem starken Einfluss von Rawlings, der Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre zwei Staatsstreiche verantwortete und auch in den Neunzigern als ziviler Staatschef nie ganz seine Vorbehalte gegenüber demokratischen Regeln ablegte. Immerhin genießt Ghana eine Stabilität, auf die die Menschen hier sehr stolz sind. Der westliche Nachbar Elfenbeinküste, wo zuletzt im Jahr 2000 gewählt wurde, erholt sich von fünf Jahren Bürgerkrieg und musste seine Neuwahlen, die die Teilung des Landes überwinden sollen, gerade erst auf nächstes Jahr verschieben. Im östlichen Nachbarland Togo produzierten vor drei Jahren chaotische Wahlen hunderte Tote.
Noch mehr als ein gutes demokratisches Beispiel wird Ghana international als wirtschaftliche Erfolgsgeschichte gelobt. Seit mehreren Jahren freut sich das Land über ein robustes Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent. Ein Großteil der Auslandsschulden wurde erlassen. Die Regierungspartei brüstet sich damit, die Zahl der ausländischen Investitionen auf das Vierfache gesteigert zu haben. Sie hat Krankenversicherung für mehr als die Hälfte der Bevölkerung und kostenlose Grundschulbildung eingeführt. Die Opposition sieht das alles natürlich anders. Sie wirft der Regierung Verschwendung und Korruption vor.
Die Probe darauf, wer in dieser Debatte recht hat, dürfte in zwei Jahren kommen. Ab dann soll vor Ghanas Küste Erdöl sprudeln. Es wurde im vorigen Jahr entdeckt. Dem unrühmlichen Vorbild Nigeria, dessen Öleinnahmen nur einer kleinen Elite nutzen und dessen Ölgebiete Bürgerkriegsgebiet sind, will Ghana nicht folgen und hat Norwegen zur Beratung eingeladen, Musterland der nachhaltigen Verwaltung von Öleinnahmen. Der nun verfassungsgemäß nach zwei Amtszeiten ausscheidende Präsident Kufuor hofft: "Das Öl wird Ghana zum afrikanischen Tiger machen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!